Richard Price, Schriftsteller und bekannter Drehbuchautor, weiß, wovon er schreibt. Geboren 1949 in der Bronx. Und die entscheidenden Jahre dort geblieben. Da muss nicht mehr viel dazukommen, um die Welt in ihrer Unzulänglichkeit zu begreifen. Dass Price schreiben kann, hat er schon lange bewiesen, dass es bei ihm kurzweilig zugeht auch. Und dass er glaubt, im Kriminalmilieu den Existenzfragen am nächsten zu sein ebenso. Mit seinem 2008 in den USA erschienen siebten Roman unter dem Titel Lush Life (das üppige Leben GM.) hat er noch mehr geleistet. Ihm ist einer der wenigen Romane gelungen, die den perfektesten Mikrokosmos namens New York City erzählerisch halbwegs in den Griff kriegen. Und das ist so mit das Anspruchvollste, was man von einem Metropolenschriftsteller erwartet. Die deutsche Übersetzung erschien nun, leider unter dem irreführenden Titel Cash. Eine Heraushebung des Namens einer Hauptfigur, der etwas anderes suggeriert.
Die Handlung, die Richard Price zur Folie seiner Betrachtungen macht, ist kurz erzählt, und die Geographie auf den Teil Manhattans beschränkt, der am East River liegt und die Lower East Side genannt wird. Drei junge Männer ziehen um die Blocks, von Bar zu Bar und Drink zu Drink und morgens um Drei werden sie von halbwüchsigen Streunern gestellt, die sie überfallen wollen. Einer der drei, Ike Marcus, tritt ihnen entschlossen entgegen, es löst sich ein Schuss und der Held ist tot. Die Täter fliehen, der dritte im Bund ist zu blau und fällt einfach um und Eric Cash hat einen Schock und tut Dinge, die nicht rational sind. Das führt dazu, dass die Polizei den Mann zunächst für den eigentlichen Täter hält, was sich jedoch als Irrtum herausstellt.
Es folgen Verwicklungen, die aus politisch inszenierten Ermittlungsschritten resultieren und die sehr dialogisch angelegte Handlung wird zu einem unerschöpflichen Kompendium von Protokollen über das menschliche Scheitern. Latinos, Iren, Juden und Italiener haben in dieser Topographie die schweren Schläge missratener Sozialisationen gemeinsam: anschaffende Mütter, drogenabhängige Geschwister und saufende, kriminelle Väter scheinen das Grundmuster eines Mikrokosmos zu sein, in dem niemand nach zivilisatorischen Maßstäben lebt, sondern alle allenfalls in einer eher bestialischen Dimension überleben. Dabei fällt auf, dass die verfügbaren Sozialstrukturen keine Refugien vorhalten, in denen Gattungsgenossen von dem allgemeinen Frevel ferngehalten werden. Nein, sowohl die gescheiterten Bewohner der Betonsilos als auch die sie jagenden Cops haben eine gemeinsame Geschichte, die sie nicht in moralisch unterschiedliche Welten trennt. Sie leben alle in der einen, in einer Art Topographie der Verzweiflung, die endet in der Gleichgültigkeit.
Irgendwann schnappt auch der irische Detective mit seiner Latinakollegin den wahren Mörder, der einem aber genauso leid tut wie sein Opfer, es gibt einfach kein Gut und kein Böse mehr. Aber hinnehmen, hinnehmen will man das alles dann doch nicht. Dank einer großartigen Textur.
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2010-06-17)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.