Federico Povoleri - Venezia: Gesehen mit den Augen eines Venezianers
Buchinformation
"Dies ist die Stadt der Letzten. Die letzten ihrer Sprache, die letzten, die sich daran erinnern, wie es einmal war, die letzten Handwerker, die ihr Handwerk beherrschen, die zuhören können und die letzten Einwohner.", schreibt der gebürtiger Venezianer Federico Povoleri. Sein Fotobuch "Venezia" ist eine Hommage an seine Heimatstadt, die nicht nur unter den Touristenfluten, sondern auch unter dem berüchtigten Aqua Alta (Hochwasser) unterzugehen droht.
Venedig: immer am Rande des Abgrunds
2019 war es zuletzt so schlimm, dass selbst das Jahrhunderthochwasser von 1966 noch übertroffen wurde. Die Schäden die diese Katastrophe hinterlassen hat, dokumentiert Povoleri ebenso wie "Flammen auf dem Wasser", das gleichnamige Kapitel, das den Brand des Mulino Stucky (heute Hilton Hotel) zeigt. In anderen Kapiteln, etwa "Früher", "In Limbo", "Hochwasser", "Geister", "Zwischen Booten und Schornsteinen", "Die Grosse Flut" und "Später" zelebriert Povoleri eine Totenmesse in Schwarz/Weiß, die die Lagunenstadt in düstere Wolken taucht. Das Wasser verschwimmt ebenso wie der Himmel, als Verbindung fungiert der allgegenwärtige Nebel, der Venedig besonders im November extra mystisch erscheinen lässt. Aber es ist keine wehmütige Liebeserklärung an die vergangene Schönheit der so oft schon totgesagten Stadt. Im Gegenteil. Povoleri zeigt in seinen Fotos zwar ein düsteres Venedig, aber keineswegs ein totes. Denn die Stadt lebt immer noch - allen Unkenrufen zum Trotz. Und vielleicht macht gerade das Venedig so einzigartig, dass es immer wieder aus den Fluten der Zerstörung aufsteigt, wie ein Phoenix aus der Asche. Oder auch wie das Opernhaus Fenice nach seinem dritten (!) großen Brand.
Letzte Mahnung an die Verantwortlichen
Wo viel Licht, da ist viel Schatten. Federico Povoleri zeigt viele Facetten seiner geliebten Heimatstadt, die man als Besucher:in nicht auf den ersten Blick erkennen könnte. Die riesigen Straßenlaternen werfen schöne Muster an das alte Gemäuer der Lagunenstadt, aber auch Spiegelungen von Maskenträgern in den Pfützen des Paviments überraschen den Betrachter. Eine chinesische Braut in weißem Schleier steht auf den in Schnee getauchten Zittere und erfreut sich der Pracht: ein Moment allein auf einer riesigen Bühne, deren Gewölbe es nur der göttliche Himmel verdient zu sein. Völlig fehl am Platz sind in dieser Idylle aus alten Palästen und geruhsamer Still die riesigen Kreuzfahrtschiffe, die nicht nur die Ruhe, sondern auch die Kanäle stören. "Die Giganten aus Stahl und Zement sind eine heftige Zumutugn, die Schönheit einsamer Ruderboote jedoch ist immer noch eine Mahnung an alle." Als so eine Mahnung kann auch "VENEZIA.
Gesehen mit den Augen eines Venezianers" verstanden werden. Ein Mahnung, dass auch die letzte Schönheit verschwindet, wenn sie nur mehr der Maximierung der Profitinteressen einiger weniger dient. Denn der Massentourismus wie er in Venedig derzeit stattfindet macht die skandalösen Reichen noch reicher und die wenigen Armen, die noch in Venedig leben, noch ärmer. Kurzum: ein Mahnmal gegen die schleichende Zerstörung der einmaligsten Schönheit, der Serenissima.
Federico Povoleri
VENEZIA
Gesehen mit den Augen eines Venezianers
2022, Hardcover, 224 Seiten, 120 Schwarz-Weiß-Fotografien, Format: 29 x 23,5 cm
Sprache: Deutsch und Englisch
ISBN (DE): 978-3-96171-398-1
teNeues Verlag GmbH
€ 50,00
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2022-05-08)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.