Neben Rom, Neapel und Mailand finden sich vor allem in Ravenna, das Kaiser Honorius 402 zur Hauptstadt erhoben hatte, Bildzyklen als prächtige Mosaiken. Aber in dem vorliegenden Band werden neben den genannten Städten auch Cefalu, Monreale, Palermo, Venedig und Florenz als Heimstätten der Mosaikkunst dargestellt und in wunderbaren großflächigen Bildreproduktionen auch abgebildet. Bei der Auswahl des Bildmaterials sei auf ein ausgewogenes Verhältnis von Gesamt- und Detailaufnahmen geachtet worden, schreibt der Herausgeber in seinem Vorwort und betont, dass Mosaiken auch immer an die sie beherbergende Architektur gebunden seien, da bisher nur S/W-Abbildungen davon existierten musste auch eine Vielzahl von Neuaufnahmen extra für dieses Kunstbuch angefertigt werden, insbesondere in Palermo und Monreale.
Die Stärke von Mosaiken liege vor allem in der Fernwirkung und einer ihrere unbestrittenen Vorzüge sei die Haltbarkeit, eine „vera pittura per l`eternità“ sei diese Kunst, wie Giorgio Vasari, der als einer der ersten Kunsthistoriker auch den Begriff „Renaissance“ erfunden hatte (http://www.wagenbach.de/buecher/edition-giorgio-vasari.html), 1550 schrieb: eine echte Malerei für die Ewigkeit! Eine weitere Besonderheit der Mosaiken sei das Zusammenspiel mit dem Licht, das auf der Verwendung von Steinwürfeln und Glasstiften, den Tesserae, beruhe. Durch eine absichtlich unebene Versetzung der Tesserae konnte ein Effekt erzielt werden, wie es in der Malerei nur schwerlich zu erzielen gewesen wäre. „Kein Medium schien besser geeignet zur Materialisierung des Immateriellen als das Mosaik“, fasst Poeschke treffen in seiner Einleitung zusammen.
In Ravenna im Mausoleum der Galla Placidia finden sich Mosaike, die aus dem 2. Viertel des 5. Jahrhunderts stammen. In der Lünette über dem Eingang des ehemaligen als Kapelle entstandenen Baus ist Christus als Guter Hirte dargestellt, nach dem Motto „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden“ (Joh 10,9). Christus sitzt auf einer Felsstufe und ist von sechs Schafen umgeben, die ihm alle zugewandt sind und von denen er eines, das sich ihm genähert hat, am Kinn krault. Ein goldener Mantel und ein goldenes Stabkreuz streichen die herrschaftliche Geste dieses Christus hervor, auch wenn er durch seine zärtliche Geste dem einen Schaf gegenüber sehr familiär wirkt. Der Rest der Ansicht ist vor allem in Blau getaucht, aber auch die Farben Grün, Gelb-Gold erzeugen einen nächtlichen Schimmer über der Szenerie. Den Ursprung dieser Form der Mosaikgestaltung sieht Poeschke in Konstantinopel und Mailand, er maßt sich jedoch kein abschließendes Urteil zu dieser Frage an. Sicherlich besteht die Bedeutung der Mosaikkunst des Mausoleums der Galla Placidia, der Kaiserin, in der „ältesten komplett erhaltenen musivischen Dekor eines Sakralraums aus frühchristlicher Zeit“, wie der Autor erklärt.
Weitere wichtige Stationen allein in Ravenna wäre noch das Baptisterium der Orthodoxen, wo sich ein Kuppelmosaik aus dem Jahre 460 befindet. Es erhielt seinen Mosaikschmuck rund zwei Jahrzehnte nach dem Mausoleum der Galla Placidia und übt eine tatsächlich überwältigende Wirkung auf den Betrachter aus. „Das Dekor von Kuppelgewölben zählte in der spätantik-frühchristlichen Zeit zu den anspruchsvollsten Aufgaben dieser Gattung“, weiß Poeschke. Inhalt des abgebildeten Mosaiks ist die Taufe Christi, dessen Abbildung sich in der Mitte des Kuppelgewölbes selbst befindet. Die an Superlativen sehr reiche Stadt Ravenna ist aber auch durch das Baptisterium der Arianer und das Langhaus, Sant`Apollinare Nuovo, bei Kunsthistorikern beliebt. Zu den weiteren Höhepunkten gehören aber vor allem auch die Mosaiken der Kirchen San Vitale und Sant`Apollinare in Classe. In letzterer befindet sich in der Apsis ein von einer ganzen Schafherde umgebener Heiliger Apollinaris, der im 1. Jahrhundert in Ravenna als Bischof gewirkt haben soll. Classe, außerhalb Ravennas, sei damals eine Hafenstadt gewesen. Im 6. Jahrhundert war der Kult um den Heiligen am Höhepunkt und so stiftete Jualianus Argentarius den Bau der Basilika. S. Apollinare ist eine dreischiffige Säulenbasilika mit einer von zwei Pastophorien flankierten Apsis und durch immerhin fünf Fenster Licht empfängt. In den Sternenhimmel sind seitlich des Querbalkens die Worte Salus Mundi und INRI auf Griechisch eingeschrieben: Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland und Heil der Welt. Ein passenderes Motiv hätte sich für die kommenden Osterfeiertage wohl kaum finden lassen.
Insgesamt 19 herausragende musivische Dekorationen präsentiert vorliegender opulenter Prachtband anhand von einem umfassenden Panorama dieser spektakulären Bildgattung, ein wahrer Bilderreigen also. Der Glanz und Schimmer der Mosaike verleiht auch dieser Publikation aus dem Hause Hirmer eine überzeitliche Wirkung und man könnte auch in ihr eine Manifestation des Göttlichen sehen. In ihren Stilmitteln zeigen die Mosaiken jedenfalls bereits seit dem frühen Mittelalter ein deutlich der christlich-transzendentalen Weltsicht konformes Gepräge, das eine baldige Erfüllung des Heils erhoffen lässt.
Der Autor, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Münster und Autor zahlreicher Publikationen zur italienischen Kunstgeschichte des Mittelalters und der Renaissance,
schildert die Entwicklung der Mosaikkunst in Italien, deren Zentren in der Frühzeit vor allem Rom und Ravenna waren. Die Mosaikzyklen im Detail: Rom, Santa Costanza; Rom, Santa Maria Maggiore; Rom, Santi Cosma e Damiano; Ravenna, Mausoleum der Galla Placidia; Ravenna, Baptisterium der Orthodoxen; Ravenna, Baptisterium der Arianer; Ravenna, San Apollinare Nuovo; Ravenna, San Vitale; Ravenna, San Apollinare in Classe; Rom, Santa Prassede; Rom, San Clemente; Rom, Santa Maria in Trastevere; Cefalù, Dom; Palermo, Cappella Palatina; Monreale, Dom; Venedig, San Marco; Florenz, Baptisterium San Giovanni; Rom, Santa Maria Maggiore; Rom, Santa Maria in Trastevere.
Joachim Poeschke
Mosaiken in Italien 300 – 1300
München, 2009
Hirmer Verlag www.hirmerverlag.de
432 Seiten,
214 Farbtafeln, davon 37 Doppeltafeln, 92 Abbildungen in Farbe.
27 x 32,5 cm
Leinen, Schmuckschuber.
ISBN: 978-3-7774-2101-8
138,00 € [D] | 215,00 SFR [CH]
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2010-04-01)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.