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Gottfried Pirhofer - Maria hilf! Eine Straße geht ihren Weg
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Pirhofer, Gottfried - Maria hilf! Eine Straße geht ihren Weg bestellen
Pirhofer, Gottfried:
Maria hilf! Eine Straße
geht ihren Weg

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(Bücher frei Haus)

„Dass Mariahilf über Jahrhunderte ein berühmter Wallfahrtsort war, zu dessen Anbetung Hundertausende angeströmt kamen“ mag heute – angesichts der Stahl-Glas-konstruierten Konsumtempel - wie eine Geschichte aus längst vergangener Zeit, ja beinahe wie aus dem Paläolithikum, anmuten. Was aber auch heute noch deutlich spürbar ist, ist, dass die Mariahilfer Straße „entlang einer Höhenlange“ führt, wie Pirrhofer richtig beobachtet. Diese exponierte Aussicht auf dem Plateau hätten als erstes die Illyrer – lange vor Kelten und Römern – für sich genutzt. Der Lehm (Laimgrube) und die Hänge für Weinbau Richtung Wienfluß (Gumpendorf) hätten dann später auch zu einer kulturellen Bewirtschaftung geführt. Danach seien die Awaren durchgewandert, sodaß die Mariahlifer Straße Jahrhunderte später sogar noch Bayrische Landstraße gehießen habe. Der Aufstieg der Gegend begann schließlich – wie könnte es im katholischen Österreich anders sein - 1451 mit dem Prediger Capistran, der zwar weder Bairisch noch Deutsch, dafür aber Latein sprach und aus dem Kirchlein einen Wallfahrtsort zauberte, zu dem sogar die kaiserliche Familie gepilgert sei. Das von dem Barnabitenmönch Don Cölestin Joanelli gestiftete Gnadenbild „Mariahülf“ sei auch lange Zeit der einzige Schmuck der Kapelle gewesen, die nachweislich seit 1660 auf einem Hügel vor dem Burgtor stand. Und so wurde der Mariahilfer Berg zum Wallfahrtsort „Maria Hülf!“.

Vom Wallfahrtsort „Maria Hülf!“ zur Fußgängerzone „Mahü“
Im 18. Jahrhundert habe die Kaiserin Maria Theresia höchstselbst während der Heiligen Messe auf dem Boden dorten gelegen, gebetet und geweint. Und 1783 hieß es in einem Kupferstich, dass vom Burgtore eine Hauptstraße über die Laimgrube führe, die zu den schönsten und bevölkertesten Vorstädten zähle, die außerdem auch noch aufgrund ihrer hohen Lage gesund sei. Sicherlich erlangte die Mariahilfer Straße ihre Bedeutung aber auch als „Querungslinie durch die Stadt von innen nach außen, von der (Hof-)Burg zum Sommerschloss (Schönbrunn)“, wie Pirhofer weiß. Im 19. Jahrhundert wechselte sie ständig ihre Namen, von Kremser Straße über Bayrische Straße zu Mariahilfer Grund Straße oder Laimgrubner Hauptstraße, Mariahilfer Hauptstraße, Fünfhauser Hauptstraße, Schönbrunner Straße, Penzinger Poststraße bis hin zur heutigen - 21. Jahrhundert – liebevoll wienerisch abgekürzten „Mahü“. Einst gab es hier eine Pferdetramway bis zur Neubaugasse, ungefähr dort, wo heute noch das denkmalgeschützte Pissoir von Wilhelm Beetz steht, das 1913 ebendort errichtet wurde. Gerhard Pirhofer zitiert nicht ganz ohne Grund Thomas Bernhards „Heldenplatz“ mit den Zeilen „Ich gehe auf die Mariahilferstraße/und suche die Mariahilferstraße/und ich bin auf der Mariahilferstraße/und finde sie nicht“. Denn diese Straße verändert sich – fast möchte man sagen – am laufenden Band und ist nie die, die man suchte.

Die Gleichzeitigkeit der Moderne
Die Mariahilfer Straße sei deswegen weltweit einzigartig, weil sie „Ein Flimmern und Flirren zwischen ehemaliger Hochurbanität und immer noch spürbarer vorstädtisch ländlicher Lieblichkeit“ sei. Der von Pirhofer zitierte Adolf Krischanitz hatte dies noch deutlicher mit seinem Diktum von der Gleichzeitigkeit der Moderne ausgedrückt: „Die Aufladung des Straßenbaus mit Geschwindigkeit brachte die Stadtstraße immer wieder in einen Krisenzustand. Durch die Fabrikation von Geschwindigkeit entstanden der Verlulst von Nähe und der Verlust von Ferne (Distanzen schrumpfen), eine fast expressionistische Situtation der Gleichzeitigkeit.“ Bei aller zu Recht bemängelten Umwidmung von ehemaligen Straßenlokalen in Garagen und der behaupteten Nähe zum Wiener Idiom der „Wiener Tiefenschicht“ - „Ich bin so parterre“ - ist die vorliegende Publikation doch mehr ein Spaziergang denn eine Analyse, eine persönliche Inszenierung denn eine Historiographie, eine aufgeblasene Chimäre denn eine wirkliche Geschichte von „Mariahilf“. Bezieht sich der Untertitel doch eindeutig auf die Straße und nicht auf das Viertel, schlendert Pirhofer doch relativ selbstverliebt und selbstgefällig durch die verschiedenen Viertel seiner (des Autors) Nachbarschaft und erzählt aus der Plaudertasche. Streckenweise liest sich das total aufgeblasen und redundant, doch dann kommt plötzlich wieder ein Foto, das mit dem Territorium der Erzählung herzlich wenig oder genauswenig zu tun hat wie das Erzählte mit dem Titel oder Untertitel der vorliegenden Publikation. Man könnte dies als sehr persönliche, individuelle, typisch Wienerische „matschgernerei“ vielleicht entschuldigen, aber der Autor ist Tiroler und insofern nur bedingt eine Quelle des Wienerischen Umgangstons, der an dieser Stelle antworten würde: „Wüllst mi moscherln?“ oder noch deutlicher: „Wüllst mi heckerln?“

Gottfried Pirhofer
Maria hilf!
Eine Straße geht ihren Weg
Mit einem Vorwort von Friedrich Achleitner und Fotografien von Johannes Faber
224 S., zahlr. Abb., Engl. Broschur
Format: 13,5 x 21 cm
€ 19,90
ISBN 978 3 85449 397 6

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2014-09-23)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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