Altos de la Cascade, 50 Km vor Buenos Aires, ist eine Welt für sich. Eine Welt der oberen Mittelschlicht, der selbsternannten Elite. Eingezäunt, mit Golfplatz und Tennisanlage versehen, leben hier Menschen, die es sich leisten können (oder aber, wie sich herausstellen wird, einmal leisten konnten).
Vier Ehepaare stehen im Mittelpunkt des neuen Romans von Claudia Pineiro, Ehepaare, denen der schöne Schein voreinander, aber auch vor sich selbst, über alles geht. Tatsächlich über alles, wie sich herausstellen wird.
Jeden Donnerstag verbringen die männlichen Teile der Ehepaare ihren Herrenabend bei ausgesuchten Alkoholika und Kartenspiel im Hause Tanos, der dominanten Figur unter den Bewohnern. Die vier Frauen sind gehalten, die Donnerstage untereinander zu verbringen und nicht zu stören, als Donnerstagswitwen eben.
Vordergründig kreisen die Gedanken um den bestmöglichen Schutz vor den Armen vor den Toren des eingezäunten Wohngebietes (wäre eine Mauer nicht besser als der Zaun und der Wachschutz?), um die Qualität der Bediensteten, um die Einrichtung und Größe des eigenen Hauses und, so vorhanden, um die Sorge über das Wohlverhalten der Kinder. Aber all dies kratzt nur die Oberfläche dessen an, was sich wirklich in den Personen und hinter den verschlossenen Türen abspielt.
Untreue, Arbeitslosigkeit durch die Wirtschaftsflaute, häusliche Gewalt, das innere und äußere Entgleiten der illusionären, selbstgeschaffenen Welt ist es, das Claudia Pineiro in den Mittelpunkt ihrer, in exzellenter sprachlicher Qualität, erzählten Geschichte stellt.
Eine Geschichte, die sie fast in Thriller-Manier mit einem Paukenschlag beginnen lässt.
Drei der vier Männer werden tot im Swimming Pool Tanos gefunden.
Was zunächst wie ein Fall für die Mordkommission wirkt, entpuppt sich in der gewählten Erzählweise Pineiros als eine tiefreichende Entlarvung einer Welt, die dem der schöne Schein absoluten Vorrang vor dem wirklichen Sein einnimmt.
Nach der Schilderung der Todesfälle erzählt das Buch in einer Rückblende über die Jahre vor den Todesfällen im Pool die Entwicklung der acht Hauptpersonen und ihres Umfeldes und hebt unnachgiebig die Masken von dem Anschein des wunderbaren Lebens der Protagonisten ab. Mit wechselnder Perspektive verzahnen sich so die Lebensgeschichten und inneren Haltungen der Ehen und Familien und legen sich die Grundzüge des Dramas schonungslos vor die Augen des Lesers. Durch die konsequente Verweigerung der Realität nehmen die Ereignisse ihren folgerichtigen, zerstörerischen Gang bis zur Eskalation, in der das Ende des Buches mit dem Anfang wieder zusammengebunden wird.
Claudia Pineiro ist ein hervorragendes Sitten- und Lebensgemälde einer Gesellschaft gelungen, das in bester sprachlicher Form den schönen Schein entzaubert und die innere Armut und Verzweiflung dieser Welt minutiös in den Raum treten lässt. Eine Verweigerung, im Leben Substanz zu finden, die in den matt wirkenden Versuchen gerade der Frauen, ihrem Leben einen sinnvollen Inhalt zu geben, fast schmerzlich kulminiert.
Trotz mancher Längen und teils zu langatmiger Beschreibungen der Lebensumstände einzelner Protagonisten ein empfehlenswertes Buch, in dem die Oberflächlichkeit vieler Ebenen des gegenwärtigen Lebens klar zu Tage tritt.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-07-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.