„Lights out in Wonderland“ – so der Originaltitel – des Südaustraliers und Booker Prize Trägers, der unter Pseudonym (DBC steht für „Dirty But Clean“) schreibt, spielt einerseits in Londond, Tokyo, (Ost-)Berlin und andererseits auch in „Wonderland“. Der deutsche Titel spielt auf die Bibel an, obwohl eigentlich nicht viel Bibelzitate in Wonderland vorkommen, dafür aber ein ganzer Haufen Lebensweisheiten, die man dem 25-jährigen Protagonisten zwar nicht unbedingt zutraut, dafür aber seinem Schöpfer, dem enfant terrible Peter Warren Finlay aka DBC. Nach „Jesus von Texas“ und „Bunny und Blair“ ist dies der dritte Titel des heute in Irland lebenden Autors und mit einem Wort ein wirklicher Hammer. Und das geht so.
“Whoosh! Licht erhellt die Manege“
Der Protagonist Gabriel Brockwell beschließt zu sterben, ...aber halt nicht gleich. Auf seiner Flucht aus einer englischen Entzugsklinik reist er zuerst zu seinem Freund Smuts nach Tokio, um sich dort gebührend von ihm zu verabschieden, doch wie es der Teufel will verstrickt er sich in dessen Schicksal und kann sich so nicht mehr ohne weiteres umbringen, da er ihm gegenüber ja doch ein Fünkchen Verantwortung trägt. Als die beiden einen Torafugu - ja genau, das sind die hochgiftigen Kugelfische die in Japan als Delikatesse verspeist werden – bei einem Besäufnis einem ebenso betrunkenen Gast servieren, fangen die Probleme für Gabriel nämlich erst wirklich an. Als Kompensation muss er dann für den Küchenchef ein orgiastisches Bacchanal in den Katakomben des Flughafens Tempelhof in (West-)Berlin veranstalten. Dort verliebt er sich dann auch noch in Anna, die eigentlich nach Galapagos will, um die älteste Schildkröte der Welt, King George, zu interviewen, was die Entscheidung sich umzubringen für Gabriel auch nicht gerade leichter macht.
Abgesang auf den Kapitalismus mit Karacho
„Alles was man zum letzten Mal im Leben macht, wird bedeutsam, egal wie unbedeutend es ist. Und wenn man weiß, dass es das letzte ist, was man macht – dann wird es geradezu schicksalhaft.“ Nicht nur der Protagonist dieses atemlos zauberhaft und temporeich geschriebenen Romans scheint dem Schwelgen in Exzessen und rauschähnlichen Zuständen zugetan zu sein, sondern auch der Autor des „Buches Gabriel“ selbst. Es liest sich wie ein ketzerischer Abgesang auf unsere schnöde Welt in der nur mehr der Mammon und der schnelle Kick zu zählen scheinen, nicht mehr aber der Tiefgang, die Philosophie, die Liebe. In unzähligen Fußnoten kommentiert der Autor sich selbst resp. seinen Protagonisten und schreibt oft die wichtigsten Botschaften in den tatsächlich unten (sub) angeordneten „Subtext“. Im Leben muss man sich eben zwischen dem Klinischen und dem Romantischen entscheiden, schreibt er in einer dieser Fußnoten, und bei Gabriel ist es ganz klar, welches seine Wahl ist. Am Höhepunkt, dem Klimax der Erzählung, trifft er ganz gezielt seine Wahl und zeigt, dass man für Geld eben nicht alles kaufen kann. Whoosh!
DBC Pierre
Das Buch Gabriel.
Roman
Eichborn Verlag
Übersetzt von Kirsten Riesselmann
384 Seiten
ISBN: 978-3-8387-2343-3
[*] Diese Rezension schrieb: juergen weber (2016-01-30)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.