Normalerweise bin ich kein Liebhaber von Thrillern. Doch seit den beiden letzten Büchern von Sebastian Fitzek mache ich hin und wieder einmal eine Ausnahme. Das vorliegende Buch von Andreas Pflüger, der als Drehbuchschreiber schon für über dreißig Filme, darunter viele Tatorte verantwortlich zeichnete, hat mich sofort angesprochen, auch deshalb, weil er bei Suhrkamp erschienen ist, dessen Lektorat für Qualität und literarischen Anspruch steht.
Ich habe mich nicht getäuscht und die 450 Seiten dieses überaus spannenden Buches fast ohne Unterbrechung gelesen. Genial konstruiert, arbeitet Pflüger mit zahlreichen Rückblenden, die dem Leser nach und nach die zunächst noch sehr rätselhaften Zusammenhänge erklären.
Seine Hauptfigur heißt Jenny Aaron. Sie ist die Tochter eines ehemaligen GSG 9 Beamten, der bei dem Einsatz in Mogadischu 1977 sich große Verdiente erwarb, und der seine Tochter ein Leben lang unterstützte und aufbaute. Jenny Aaron wurde schon in jungen Jahren nicht nur, aber auch wegen ihres Namens, das erste weibliche Mitglied einer Eliteeinheit der Polizei, die auch außerhalb Deutschlands undercover operierte.
Ein solcher Einsatz vor 5 Jahren in Barcelona geht schief und sie erblindet durch einen Schuss. Ihren Kollegen lässt sie in einer Tiefgarage schwer verletzt zurück, eine Hypothek, die sie seitdem belastet und die sie das ganze Buch über aufklären will. Jenny Aaron ist tough. Sie erlernt nicht nur die Blindensprache, sondern bald schon bewegt sie sich durch ihr Leben wie eine Sehende. Sie benutzt dafür unterschiedliche Laute und kann aus deren Echo genau ermessen, was da vor ihr liegt und in welcher Entfernung. Bald schon ist sie wieder im Dienst, nun als gefragte Vernehmungsspezialistin beim BKA in Wiesbaden, wo sie auch wohnt.
Das Buch beginnt damit, dass die früheren Kollegen aus Berlin Aaron um Hilfe bitten. Der Mörder Reinhold Boenisch, an dessen Verhaftung sie beteiligt war, hat in der Haft vermutlich eine Psychologin getötet und will nur eine Aussage machen, wenn Aaron sie übernimmt.
Jenny Aaron übernimmt den Auftrag und gerät schon bald in Zusammenhänge und Netzwerke, die nicht nur ihr Leben bedrohen, sondern auch ihre Vergangenheit und insbesondere jenen gescheiterten Einsatz in Barcelona in ein ganz neues Licht rücken.
Insbesondere die Blindenthematik ist exzellent recherchiert (Andreas Pflüger gibt darüber in einem Nachwort Auskunft und kündigt auch eine Fortsetzung an). Die gleich zu Beginn implementierte Spannung wird bis zur letzten Seite ausrechterhalten und lässt dem Leser keine andere Wahl, als atemlos immer weiter zu lesen.
Ein auch literarisch sehr gelungenes Buch. Die Fortsetzung werde ich auf jeden Fall lesen.
Andreas Pflüger, Endgültig, Suhrkamp 2016, ISBN 978-3-518-42521-3
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2016-06-01)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.