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Henning Peter - Leichtes Beben
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Peter, Henning:
Leichtes Beben

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(Bücher frei Haus)

Bisher hatte ich ihn ganz gern gelesen, den Feuilleton-Journalisten Peter Henning, der seit Jahren im Nebenberuf versucht, ein deutscher Gegenwartsautor von Gewicht zu werden. Seine Kurzromane und Novellen um ins Leere flüchtende Männer, Tretmühlenausbrecher ohne Ziel und Zukunft, schienen mir unprätentiös, dicht am intellektuellen Niveau ihrer „normaler Typ“-Helden. Zur Abwechslung mal keine Künstlerkrisen- und Bildungsbürgerfamilien-Schein-Gewichtigkeiten. Aber dieses Mal ersteht mein Widerwille nicht nur angesichts eines bald durchschauten Etikettenschwindels, dieses wäre ein „Roman“ und keine zusammengeflickte Storysammlung, sondern auch wegen geradezu schreckerregenden Nachlässigkeiten sowohl in formaler (Setzfehler en masse, dazu verunglückte, tollpatschige Sätze) wie in Hinsicht des Gehalts. Immer wieder treten Protagonisten auf, die zu kleinen Wegwerfeinfällen eines Schreibschülers zu gehören scheinen. Der Autor entwickelt sie nicht, manchmal scheint er sich lieber einen Jux mit ihnen zu machen.

Wie Judith Hermann (und Ähnliche) steht Peter Henning im Bann der literarischen Sprödigkeit aus der Nachfolge des Amerikaners Raymond Carver. Wie die Hermann versucht er, aus vagen Einfällen „pralle Figuren“ zu synthetisieren, indem er immer neue Schichten „Alltag“ und „Detailaspekte des Realismus“ ums Substanzlose schreibt, damit es doch bitte „echt“ wird.

Einunddreißig Shortstorys, alle paar Seiten ein neuer Protagonist in wieder einer anderen Kalamität. Ob da vom aus Eifersucht vom Balkon geschmissenen Fahrrad die Rede ist, das unglücklicherweise einen Obdachlosen verletzt; vom Detektiv, der - einer Bekannten zuliebe - einem untreuen Ehemann Rache per Lebendig-Begraben-Werden vorgaukelt, anschließend seine Lust am sadistischen „Breath Control“ entdeckt und seine Bettbekanntschaft fast umbringt; ob vom Mann, den nach der Scheidung Lust auf Sex mit einer Fremden überkommt, wofür er keinen Gummi nimmt, der jetzt, von Ansteckungshysterie gejagt, Trost bei einem Freund von einst sucht, dessen Problem allerdings ist, dass er im Schauspielerberuf gescheitert ist und dass er es nicht zugeben will, dass er auch nicht zugeben kann, dass er schwul ist und selber HIV hat: Wirklich glaubhaft ist das alles nicht! Immer wieder sieht es nach den ungaren Einfällen eines Kurztextbastlers aus, der in seinem Brotberuf auch noch ziemlich gefordert gewesen ist.

Ein Typ fährt einen Jungen an, will diesen Unfall vertuschen, packt den Buben vorerst einfach mal nur auf den Rücksitz und unterhält sich mit ihm, vergisst ihn dann auf dem Parkplatz, als beim Zwischenstopp der Alkohol ihn anlacht und auch eine Frau. Könnte sein, dass es bei Raymond Carver beklemmend geworden wäre. Aber: bei Raymond Carver!

Irgendwann, viel später hat Peter Henning all dieses Geschriebene zu einem einzigen Roman vernäht. Immer vergeht nun eine Reihe Episoden, dann tauchen die Protagonisten eines früheren Stücks im Hintergrund noch ein zweites Mal auf, tun aber nicht mehr viel. Vor allem muss ständig dieses eine Erdbeben erwähnt werden, das gerade in den Nachrichten war, im Oberrhein-Graben zwischen Freiburg und Basel, viel passiert ist nicht. Eine oberflächliche Metapher für das, was sämtliche Henning-Männer eint: die dumme Klemme, die gegen ihr ganzes Leben spricht.

Schon auf den ersten Seiten ein Gebilde wie dieses:
Zitat:

Er lief ans Fenster, öffnete es und ließ seinen Blick über das Tal mit seinen Streuobstwiesen und die sanft ansteigenden Hügel schweifen, die der Landschaft ihren Namen gaben.
Eleganter wird Hennings Stil mit der Zeit nicht wirklich.

Wenn Peter Henning ein Bild von Aids und Schwulen skizziert, dann hat er es aus den achtziger oder neunziger Jahren. Er ist nicht an der Zeit, in der sein Roman angeblich spielt. So gibt es Zweiundzwanzigjährige, die sind heute lockend schön, nach paar Monaten tot. Und gibt es ältere Schule, die sagen, an Kontakte kamen sie in „einschlägigen Lokalen“.

Zitat:

Hagedorn hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, Spencer von seiner vor einiger Zeit festgestellten HIV-Infektion zu erzählen, die er sich bei einem seiner jungen Freunde geholt hatte. Einem Zweiundzwanzigjährigen, unverschämt gut aussehenden und inzwischen verstorbenen Jungen, den er in einem einschlägigen Lokal kennengelernt hatte und der ihn, wenn er dem schmalen Kopf mit den breiten Koteletten und den langen, mit Gel nach hinten frisierten Haaren kokett in den Nacken legte und dabei aufreizend grinste, an den jungen Chet Baker erinnerte, von dem Hagedorn alle Platten besaß.

Übrigens: Sollten Sie je einen Schwulen treffen, der alle Chet-Baker-Platten besitzt, fordern Sie ihn auf, mich über diese Site zu kontaktieren! Die sind selten.

[*] Diese Rezension schrieb: Klaus Mattes (2016-03-19)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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