Die Fortentwicklung der Weltpolitik ist etwas, das vermeintlich immer von den Medien begleitet wird. Fast schon gehört es zu den fundamentalen Irrtümern, dass die mediale Öffentlichkeit das Forum ist, in dem Geschichte gemacht wird. Bei dem Film Mandela-Verschwörung (Endgame) erhalten wir einen Eindruck davon, dass tatsächlich Wichtiges im Verborgenen stattfinden kann, und, das wird immer deutlicher, sogar muss. Die Notwendigkeit geheimer Diplomatie auch innerhalb nationaler gesellschaftlicher Konflikte ist nirgendwo so deutlich geworden wie bei dem Übergang des südafrikanischen Apartheidssystems zur Souveränität des Landes in Bezug auf freie Wahlen.
In einem Film, der auf die großen Effekte verzichtet und keine spektakuläre Dramaturgie benötigt, wird mit feiner Hand die Linie gezogen zwischen politischer Notwendigkeit, diskreter Vorgehensweise, vertrauensbildenden Maßnahmen und von Werten geleiteter Standhaftigkeit. Alles Erscheinungen, die in dem glitzernden Rummel der elektronischen und elektrisierten Öffentlichkeit als langweilige Attitüden gelten.
Die politische Ausgangssituation, ein seit dem Jahr 1960 in die Illegalität getriebener African National Congress (ANC), dessen Vorsitzender Nelson Mandela seit Jahrzehnten im Gefängnis sitzt, dessen Mitglieder- und Anhängerschaft zunehmend ungeduldig und radikalisiert wird und eine offizielle Apartheidpolitik, vertreten durch den Präsidenten Peter Botha, der keine Kompromisse kennt, hätte nicht aussichtsloser sein können. Wäre da nicht auch eine Weltöffentlichkeit gewesen, die die strategische Prognose für diese rassistische Staatsideologie verdüstert hätte. Auf Initiative von britischen Investoren wurde Tuchfühlung sowohl mit dem ANC als auch mit weiter blickenden Geheimdienstlern aufgenommen, um an den Verhandlungstisch zu kommen. Im fernen England trafen sich dann weiße Intellektuelle des alten Regimes und seitens des ANC Thabo Mbeki, seinerseits Unterhändler des ANC-Präsidenten im Exil, Oliver Thambo, um die Bedingungen für einen Übergang zu verhandeln.
Gleichzeitig verfolgte der Apartheidsgeheimdienst die Taktik, den immer noch inhaftierten Nelson Mandela durch Aufwertung und Privilegierung zu korrumpieren. Neben den feinen Linien des diplomatischen Schachspieles bekommen wir einen Eindruck von der Festigkeit der afrikanischen Revolutionäre und ihrer einzigartigen Integrität. Aber auch das weiße Südafrika wies Charaktere auf, die von einem tiefen Humanismus geprägt waren und aus wohl verstandenem Patriotismus das Land vor einem eskalierenden ruinösen Bürgerkrieg bewahrten.
Der Film wechselt unspektakulär immer wieder die Perspektive und inszeniert so die unterschiedlichen Ebenen der Verhandlung auch in ihrer Binnenwirkung auf die jeweiligen Lager. Wir erfahren sowohl einiges über die Widersprüche innerhalb des ANC als auch über die bröckelnde Allianz auf der Apartheidsseite. Die Verhandlungen zogen sich über Jahre hin und brachten eine Annäherung, die zu der Freilassung Mandelas im Jahre 1990 führte. Die Kompetenz, die der ANC in diesen Verhandlungen gewonnen hat, machten ihn im übrigen zu einem Broker des friedlich orientierten Übergangs. Einige Jahre später wandte sich die IRA, ihrerseits an einer fundamentalen Politikänderung interessiert, an den ANC um Beratung und neuerdings soll es sogar die Hamas sein. Viel Historisches und weit Strahlendes also, geprägt von einer tiefen humanen Bewegung und Diskretion. Der Film fängt diese Dimensionen sehr überzeugend ein, was ihn zu einem großartigen Werk macht.
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2011-07-27)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.