Ein deutscher Italiener auf der spanischen Ferieninsel Mallorca? „Als ich 14 war, zogen meine Eltern als Gastarbeiter von Kalabrien nach Nürnberg. Dort habe ich meine Liebe zur Gastronomie entdeckt. Und in allen Bereichen gearbeitet: in der Küche, an der Bar, als Kellner. Ich habe sogar Fußböden geschrubbt. Später habe ich einige erfolgreiche Lokale geführt. Mit 34 war ich reif für die Insel. Ich wollte meine Leidenschaft unter südlicher Sonne ausüben. Italien kam für mich nicht in Frage – denn dort wäre ich einer von 60 Millionen Italienern gewesen!“ Sprach`s und beschloss auf die zweitliebste (Halb-)Insel der Deutschen zu ziehen und dort seine liebgewonnenen neuen Landsleute auch mit ihrer Lieblingsspeise, nämlich Würsten, zu bekochen. Jetzt ist Pino Persico nicht mehr nur Italiener und Deutscher, sondern auch Mallorkine, denn sein Restaurant „Campino“ in Camp de Mar ist allen Besuchern und Bewohnern der Insel längst zu einem liebgewonnenen Abendvergnügen geworden.
Pino Persico, deutscher Gastronom mit italienischem Migrationshintergrund, hat neben Bratwürsten aber natürlich auch Speisen seiner kalabrischen Heimat auf der Speisekarte. Persico ist der Inhaber des angesagtesten Restaurants auf Mallorca, der liebevoll auch „17. Bundesland“ genannten spanischen Insel im Mittelmeer, auf der längst nicht mehr nur Tapas oder Sauerkraut kredenzt werden. Die sicherlich einzigartige kulinarische Mischung aus italienischer, deutscher und mallorquinischer Küche wird nun mit ca. 90 Rezepten in einem neuen Buch der hochwertigen Collection Rolf Heyne mundwässernd präsentiert. Die Fotos stammen von Marc Rehbeck und die Journalistin Inga Griese („Welt“) hat den Starkoch interviewt und erzählt die Erfolgsgeschichte eines Einwanderers mit seinen Worten, Augen und vor allem seinem „Geschmack“.
In der Ruine eines Bauernhauses steht der stolze Koch, natürlich mit weißem Hemd und schwarzer Hose und zum Gürtel noch schwarze Hosenträger („Doppelt hält eben besser“), grauer Dreitagebart und – ebenso natürlich - Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger. Nicht nur sein Styling entspricht dem Klischee, dass man sich so gerne von Südländern macht, sondern auch seine Sprüche. „Corigliano Calabro“ war die Heimat seiner Eltern gewesen, die sich einst nach Nürnberg aufmachten, um dort Arbeit zu finden, damals noch als Gastarbeiter, heute als EU-Bürger erster Klasse. Seine Familie – nur zwei Kinder - sei wohl wegen dem ersten hauseigenen Fernseher in Corigliano so klein geblieben, erzählt Persico augenzwinkernd der neugierigen Journalistin, aber nicht nur das dürfte den Wohlstand erleichtert haben, sondern auch der Umzug Antoniettas und Francescos in die kalabrische Enklave zwischen Nürnberg und dem mittelfränkischen Feucht. Die Schwester Pinos, Carmela, führt inzwischen übrigens den Kiosk im Freibad Feuchtasia, aber nur von Mai bis September, den Rest des Jahres verbringt sie bei ihrem Bruder auf Mallorca und vielleicht hilft sie ihm dort sogar etwas in der Küche.
Der Lebensgeschichte Persicos werden immerhin 60 Seiten dieses mehr-als-nur-ein-Kochbuch-Buches gewidmet, doch dann geht es richtig los, mit Antipasti & Co. Carpaccio di Polpa, verdure grigliate, alici marinate (Sardellen), Meeresfrüchtesalat, Vitello tonnato und vieles „Meer“. Denn vieles, was Pino Persico serviert, kommt natürlich aus dem Meer, darunter Calamari ripieni di tonno (mit Thunfisch gefüllte Tintenfischchen), Calamari mit Sugo, Seeteufel, Stockfisch… Fleischrezepte reichen von Kaninchen mit Zwiebeln aus dem kalabrischen Tropea hin zu Nürnberger Würstchen mit „crauti“, wie die Italiener das deutsche Sauerkraut liebevoll nennen. Kalbsmedaillons und Rouladen neapolitanischer Art oder auch Involtini, kann man hier lernen zu gustieren, wenn es einem nur so gut wie Pino Persico gelingen würde. Coscia di capretto al forno con erbette aromatiche, da ist jedes Mitleid fehl am Platz, denn auch wenn die Zicklein auf den Fotos noch so lieb aussehen, schmecken tun sie doch unvergleichlich besser, so suggeriert zumindest der Koch, der noch cannoli siciliani und einen Caffè zum Nachtisch reicht.
„Kalabrien – Nürnberg – Mallorca“ ist ein Kochbuch der ganz anderen Art, es zeigt den Aufstieg eines Migranten, erzählt die Geschichte Deutschlands in den Siebzigern, zeigt Bilder von der fernen Stiefelspitze in getönten Farben, die wie ein ganz persönliches Familienalbum wirken und verschmilzt so drei Länder zu einem kulinarischen und ästhetischen Genuss, wie es sich selten so gut anfühlt. Bleibt nur mehr „Buon appetito“ zu wünschen, aber der kommt beim Lesen und Schnuppern ohnehin…