Matthias Penzel - Jörg Fauser. Die Biografie. Rebell im Cola-Hinterland
Buchinformation
"Freier Schriftsteller, seit 1976 im Journalismus (als Autor und Redakteur). Keine Stipendien, keine Preise, keine Gelder der öffentlichen Hand, keine Jurys, keine Gremien, kein Mitglied eines Berufsverbands, keine Akademie, keine Clique; verheiratet, aber sonst unabhängig", so lautete eine Selbstauskunft des "deutschen Bukowski" 1986, ein Jahr vor seinem Tod. Ob diese Selbstwahrnehmung so stimmte und wie sehr sie mit der Fremdwahrnehmung kollidierte, das untersuchen die beiden Biographen Matthias Penzel und Ambros Waibel in einer mehr als sechshundertseitigen Jörg-Fauser-Biografie, die ihresgleichen sucht.
Biographie mit Tiefgang
Die beiden Journalisten und Herausgeber haben nämlich ganze Arbeit geleistet. Sie lassen Fauser auch in Selbstzeugnissen zu Wort kommen und haben auch mit Zeitzeugen, Freund:innen, Weggefährten gesprochen, haben Archive durchwühlt und neue Dokumente entdeckt. Das Leben und Werk Fausers werden auf diese Weise nochmals eigens gewürdigt und in ihrer Bedeutung neu gehuldigt und vermessen. Knappe 40 Jahre nach seinem Tod ist dies nämlich ebenso notwendig wie eine Re-Lektüre seiner Romane, Lyrik, Erzählungen, Kurzgeschichten, Hörspiele und Songexte, die übrigens sämtlich beim Diogenes Verlag erschienen sind, ebenso wie vorliegende Biograpie. Der Schriftsteller als eine Art diebischer Tourist im Leben, so hat Fauser die Arbeit seiner Kollegen gesehen, die voneinander abschrieben und Ideen klauten. Aber tun dies nicht alle? Gibt es überhaupt noch originäres Gedankengut? Zur Zeit Fauser bestimmt, denn es gab noch keine Möglichkeiten zu jeder Zeit an jedem Ort der Welt Wissen über Handy abzufragen. Fauser lebte noch authentisch, er schnupfte, spritzte, rauchte, schnupperte alles in sich hinein und übergab sich beizeiten vielleicht auch einmal. Rohstoff. Oder bis /er/ am Boden lag. "...kein netter Mensch, sondern Schriftsteller". (Jörg Fauser über sich)
Dienst am Genie
Beizeiten urteilte er aber auch unglaublich klar über andere: "Die Bundesrepublik war nicht die Nachfolgerin er Weimarer, sondern der Friedhof des 3. Reichs, auf dem die Zombies rumirrten". Die Biographen spüren aber auch skurrile Zeilen Fausers auf, etwa wenn sie ein Wohnungssuche-Inserat aus seiner Londoner Zeit zitieren: "Anarchistenpaar mit kleiner Tochter sucht Unterkunft irgendwo in London/Süd-England auch als Gegenleistung für Hausarbeit, Garten usw. (...)". Wer kann seine Zeit oder sich selbst so überschätzen, dass er glaubt ein Hausbesitzer würde auf so ein Inserat reagieren? Als einer von 2777 Kriegsdienstverweigerern seines Jahrgangs glaubt er an die Möglichkeit der Veränderung der Welt und bezeichnet sich als Kommunist, da gerade dieser Kommunismus ihm genau das verspräche. "Seine Lobreden auf den Kommunismus, auch sein Faible für Jazz scheinen eher aufgesetzt", schreiben die beiden Biographen, "mitsamt Barett, dem ganzen frankophilen Gestus". Für seine Freundin Dorothea blieb er ein zarter Typ, einer der starke Frauen brauchte, weil er selbst schwach war. So wie viele Machos seiner Generation. Seine Flucht vor Konventionen gerieten phasenweise zu einem Selbstmord auf Raten, konstatieren die Biographen. "Die Sehnsucht war natürlich echt, aber auch das Potenzial der Selbsttäuschung". Das lässt sich natürlich für die ganze 68er Generation verlauten, vor deren Hintergrund sich das Leben des Rabauken JCF abspielte. Jörg Fausers Leben, das nur 44 Jahre dauerte, wird gemeinsam mit seinem Werk zu einem spannenden Lesestoff über seine Generation verschmolzen. Annäherung an einen Menschen, der zum Mythos wurde und dieser Tage 80 geworden wäre.