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Pier Paolo Pasolini - Rom, Rom
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Pasolini, Pier Paolo:
Rom, Rom

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(Bücher frei Haus)

„(...) und schwamm unter den Pfeilern des Ponte Sisto“, schreibt Pasolini an einer Stelle seiner hier publizierten Reportagen und wer Rom kennt wird es kaum glauben können, dass es jemals möglich war, an dieser Stelle des Tibers ins Wasser zu gehen. Der Ponte Sisto, der in Pasolinis Geschichten immer wieder eine Rolle spielt, steht am Anfang eines ganz eigenen römischen Stadtviertels, das „jenseits des Tibers“ genannt wird: Trastevere, Heimat der ärmeren Bevölkerung der Hauptstadt, Zentrum des einfachen Volkes, das Pasolini so liebte. Die Geschichte von Rafele, einem Kastanienverkäufer und einfachen Trasteverino, wird in „Nacht über dem ES“ erzählt und auch wenn dieser unter den Brücken schläft und von Luft und Liebe lebt, so ist „die Nacht unangreifbar; die Luft ohne Wirklichkeit; der Himmel bald aufgewühlt, bald klar“. In all der Armut versucht Pasolini auch die Schönheit zu finden, die er mit manchen solcher Sätze zu erwecken vermag, denn oft liegt diese in der Schlichtheit und Einfachheit, im Minimalismus und der Reduktion statt in Pomp und Übertreibung, Allmacht und Reichtum. „Dem Prinzip der eigenen Ehrbarkeit treu geblieben, hat er jegliche Würde verloren, er tut alles mit dem guten Willen zu gegenseitigem Respekt, zu Toleranz.“ Man entsann sich in Trastevere stets des „Zusammenhalts, des Stimmengewirrs überaus redlicher Menschen“ und nicht mehr der Beklemmung. „Rafeles Augen, die wie Sterne glänzen, füllen sich mit Tränen. Er ist zorniger denn je.“

Samba à la Romanino
In „Studien über das Leben in Testaccio“ schreibt Pasolini auch hier über die Freuden der kleinen Leute, ihre rohe Sitten und manchmal schrecklichen Angewohnheiten, die nur dadurch entstehen, dass sie zu eng aufeinander leben und sich bald nicht mehr riechen können, sodass sie kleine Katzen quälen und große Jungs verprügeln. „Und auch diese Handlung wird passiv, zufällig und vulgär hinter ihnen bleiben; sie gehören zur Zeit wie das Wasser des Tibers zur Strömung.“ Die Feigheit besteht darin im grollenden Schweigen seine Klage zu erheben und den Streit durch die Täter provozieren zu lassen. Es ist keine strahlende Sonne, die hier untergeht. In „Eine Bauerngeschichte“ erzählt der Journalist Pasolini vom Fleisch der Hauptstadt, das hauptsächlich auf illegalem Wege in sie hineingelangte, zumindest in den beschriebenen Jahren von 1956 bis 1959. „Er kommt zum ersten Mal nach Rom. Doch es ist nicht Rom, sondern der Stadtteil Testaccio, der unter der Sonne glüht; die Senkgruben sind von Blut und Kot verstopft.“ Zum „Teil der Grammatik werden, zum Subjekt“ nennt Pasolini die Initiation des Protagonisten Romano, der vom Land nach Rom kommt, in ein Rom allerdings, das kein Reiseprospekt zeigt. „Im Gegenteil, das Wissen dieser Kraft ist die Maske von Rom, das sich als ein anderes ausgibt in seiner Verachtung, Ironie und Gutmütigkeit – in seiner Grausamkeit, in der Angeberei, im scharfen Blick für die Situationen, im sich-nicht-Einmischen, im Schauspiel oder in den Schmeicheleien, in der Gedankenlosigkeit, im Alles Wissen, in der Zurückhaltung aus Ehre, im einsamen Gesang der eigenen Verfügbarkeit.“

1975:2015, 30 Jahre Mord an Pasolini
Pasolini spielt Romano den Stutzer und Romano den Bauern gegeneinander aus und erhebt seine Stimme zu einem fulminanten Schlussmonolog, wie er selten schart gehört wurde: „Aber wir sind bürgerlich. (...) Selbst die Revolutionärsten unter uns wurden konservativ geboren, und im Grunde vergessen wir nie, was unsere unschuldig bürgerliche Mutter uns als Kind beigebracht hat: Respekt vor einer Welt, die uns gehört, folglich den Sinn der Sparsamkeit, das Pflichtgefühl, das Wissen und besonders die Überzeugung, dass das Leben lang und sicher ist. Doch Romano der Bauer und Romano der Stutzer waren wie törichte Vögel, die morgens erwachen und noch ganz benommen, glücklich und frei von der Angst vor Jägern oder anderen Gefahren frohgemut ihren Gesang anstimmen und sich zum Flug erheben.“ Der so mächtige Poet, Schriftsteller und Filmregisseur, Verfasser der Drehbücher von Fellini wurde vor bald 30 Jahren zum Schweigen gebracht. Die Umstände seines Mordes sind auch nach so langer Zeit immer noch ungeklärt, da immer wieder politische Motive dahinter vermutet wurden. Ein vom amerikanischen Regisseur Abel Ferrara kürzlich gedrehter Film bringt wenig Licht in die dunklen Hintergründe einer politischen Intrige und hält sich an die offizielle Version eines Raubmordes im Strichermilieu und das trotz der Mitarbeit von Ninetto Davoli, des Ex-Lovers von PPP, wie ihn die Italiener liebevoll nennen. Wer in Pasolinis Freibeuterschriften, seinen Filmen oder den hier vorliegenden Arbeiten liest, wird aber bald verstehen, warum Pasolini’s Tod tatsächlich ein Politikum sein könnte, PPP und P also.

Pier Paolo Pasolini
Rom, Rom
Erzählungen.
Aus dem Italienischen von Hans-Peter Glückler,
Bettina Kienlechner und Annette Kopetzki
Wagenbach Verlag SALTO

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2014-12-26)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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