„No future in England’s Dreaming” hieß es in einem der bekanntesten Hits der englischen Chaostruppe Sex Pistols, deren Sänger eigentlich ein Ire war. Zum Krönungsjubiläum der Queen hatten sich die enfants terribles ein Boot gemietet und waren der Themse entlanggeschippert. Auch der Zeichner Steve Parkhouse und der Autor Jim McCarthy erwähnen diese kleine Episode in ihrer neuen Graphic Novel über die Sex Pistols, die wohl bekannteste und stilbildendste britische Punkband der 1970er Jahre.
Bizarrer Comic, bizarre Realvorlagen
Natürlich wird auch das unrühmliche Ende von Sid Vicious, dem Bassisten der Pistols, nicht ausgelassen. Er hatte nicht nur dem Bruder von Patti Smith verprügelt, sondern auch seine Freundin Nancy Spungen im Drogenblutrausch abgestochen. Anders kann man die Ereignisse im Chelsea Hotel nicht nennen. Aber nicht nur deswegen wurde die erste und letzte USA-Tournee der gefürchtetsten Punkband zum Fiasko. Aufgrund der rabiaten Reaktionen ihres Publikums wurden alsbald die meisten Auftritte der Tournee von den Bookern gecancelt. Zu riskant schien den Betreibern einschlägiger Etablissements ein Auftritt einer Band, die so viel Gewalt bei ihren Zuhörern auslöste, dass ganze Konzertsäle verwüstet und sogar zertrümmert wurden. Nun gut, das gab es bei den Rolling Stones auch schon, meinen Sie? Dann lesen Sie die Graphic Novel von
Steve Parkhouse/Jim McCarthy über die Sex Pistols, die das Geschehen der Siebziger Jahre in England auch in einen größeren subkulturellen Kontext einzuordnen versuchen. Denn auch im Viktorianischen Zeitalter gab es in England schon solche Burschen wie Sid oder Johnny (Rotten), etwa Airy Alf oder Bouncing Billy. Oder war das nur ein Comic?
„Anarchy In The UK“
Bei den Sex Pistols weiß man: es war nicht nur ein Comic. Denn die Folgen des kurzen vermeintlich von Malcolm McLaren inszenierten Spektakels kamen einem Erdbeben gleich, das die wohlbehütete Insel geradezu erschütterte. Wilde, skandalträchtige Anti-Musik, Drogenexzesse, Schimpfkanonaden gegen das Publikum und Auftrittsverbote allerorten. Die Punk-Revolte erschütterte nicht nur die Musikszene, sondern auch die englische Gesellschaft sowie die ganze westliche Kultur. Die vier Chaoten zeigten dem britischen Establishment den blanken Hintern und schrieben Skandal-Hits wie „Anarchy In The UK“ oder „God Save The Queen“ und auch „No Future“. Der Abstieg kam dann allerdings ebenso schnell wie der Aufstieg. Dafür formte Johnny Lydon ehemals Rotten eine tolle Band, die es auch heute noch gibt: PIL. Vielleicht ebenso nachhaltig wie der Punk-Mythos? Zumindest eine Erweiterung des Spektrums.
Steve Parkhouse/Jim McCarthy
Sex Pistols - Die Graphic Novel
Storys: Sex Pistols – The Graphic Novel
Graphic Novel, Hardcover, 100 Seiten
ISBN: 9783741621727
19,00 €
Panini
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2021-05-03)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.