Der Regisseur baut seine Biographie auf dem Widerspruch zwischen „Maria“ und „Callas“ auf, dabei hatte die in New York als „Maria Cecilia Sophia Anna Kalogeropoulous“ geborene Griechin doch vielleicht noch viel mehr Persönlichkeiten und Widersprüche in sich vereinigt, als nur diese beiden, zwischen Frau und Künstlerin. Als das Mädchen Maria heranwuchs wurde die Künstlerin in ihr immer größer, doch ihre weibliche Seite litt unter dem Ruhm, denn sie wollte eigentlich doch nur die Liebe. Am Höhepunkt ihres Erfolges gönnt sie sich endlich etwas fürs Herz und muss bitter dafür zahlen: Onassis, der einzige Mann, der sie auch körperlich befriedigen konnte (Zitat) hatte sie wie eine Zitrone ausgepresst und nur an der Nase herumgeführt. Durch sie erreichte der dubiose Geschäftsmann die Carte blanche für den Eintritt in die High Society und der führte ihn dann zu Jackie O. Je mehr also die Künstlerin Erfolg hatte, desto mehr litt die Frau in der Maria Callas, das ist die Geschichte, die Tony Palmer in seinem Narrativ der großen Diva erzählen möchte.
Dazu bedient er sich nicht nur zahlreicher Filmausschnitte aus Live-Auftritten der „Grande Vociaccia“, sondern auch vieler Archivaufnahmen und Interviews mit Verwandten und Bekannten, sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks. Etwas schade dabei ist, dass die Auftritte der Diva nicht mit den Titeln der gesungenen Partien untertitelt werden, nicht jeder Opernfan weiß ja gleich worum es sich handelt, Laien müssen da schon sehr genau zuhören, dass sie das Stück auch erkennen. Der Callas wurden gerne ihre Rollen zugeschrieben, darunter vor allem die „Norma“, aber auch die „Tosca“, die ihren Scarpia leider nicht ermordete, sondern klaglos unter ihm litt, ihn selbst nach der Trennung im Krankenhaus besuchte und darbte, wenn er sie von seiner Hochzeitsreise mit Jackie morgens zum Frühstück anrief. Die wohl „tragischste Liebesgeschichte der Zeit“(Tony Palmer) machte die „Frau Maria“ vielleicht ebenso berühmt wie die „Künstlerin Callas“. „Mi regge mi lascio guidar“ singt sie in der „Norma“ und sie war Onassis tatsächlich mehr als hörig, wie auch ihre Einsamkeit und scheinbar sinnlosen Tätigkeiten (sie übernahm eine Filmrolle für Pasolini oder führte bei einer Oper selbst Regie) nach der Trennung von ihm belegen.
Ihre Geschichte lässt sich erzählen, wie ein Märchen, denn aus dem pummeligen Aschenputtel, der fast fettleibigen untalentierten Gesangsschülerin der Elvira de Hidalgo, die nicht nur als Kind Eiscreme liebte, gerne ins Kino ging, um Westernfilme zu sehen und diese laut zu kommentieren wurde bald eine „Grande Dame“, eine Dame der Welt. Zeffirelli, der Regisseur, den Palmer in vorliegender Dokumentation zur Maria und Callas interviewte, nennt sie gar „eine Kugel, die Ähnlichkeit mit der Freiheitsstatue hatte“, später wurde er jedoch zu einem sehr guten Freund von Maria Callas, die es tatsächlich schaffte mit ihrer eisernen Willenskraft innert eines Jahres 37 kg abzunehmen. Aus dem hässliche Entlein wurde ein Schwan und diesem Schwanengesang wollte bald die ganze Welt zuhören.
„Zuallererst sind wir der Musik verpflichtet“, soll die Callas gesagt haben und damit wohl auch ihr persönliches tragisches Schicksal vorweggenommen haben, denn die Welt lag ihr zu Füßen, doch der Mann, den sie liebte, heiratete eine andere, eine jüngere… Auf der Bühne sei sie gut wie blind gewesen, sie bewegte sich wie in Trance in einem Traumland, erzählt Zeffirelli, um dem Zuschauer dann mit leuchtenden Augen ein „She was posessed“ entgegen zu werfen. „I am a born fighter, but not because I love the fight“, sagt sie selbst in der Dokumentation in einem Interview und sicherlich war sie ehrgeizig und eventuell sogar divenhaft mit Allüren, doch sie wollte eben weder sich selbst noch das Publikum enttäuschen und sagte manche Auftritte kurzerhand einfach ab. Es gebe nur die Pressefreiheit, aber keine persönliche Freiheit, monierte sie, wenn Journalisten ihr aufdringlich Mikrofone am Flughafen entgegenhielten, doch eines muss auch hier gesagt werden, die Callas blieb stets charmant und höflich, und das obwohl der Kommentator sagt, dass sie Journalisten eigentlich gehasst habe.
Am Ende steht ihr Herzversagen mit 53 Jahren, sie sei so schön gewesen wie nie zuvor, mit ihrem Zopf und einem bläulichen Schimmer im Gesicht. „Ogni giorno è per fortuna un giorno meno“, soll sie vor ihrem Tod mehrmals gesagt haben. Ein Leben ohne Liebe ist eben kein Leben, auch nicht für die wohl größte Opernsängerin der Welt. Der Vater, die Sicherheit, die sie stets in ihren Ehemännern und vor allem Onassis gesucht hatte, halfen ihr nicht, am Ende starb sie allein, in größter Einsamkeit und tablettensüchtig. Wie singt sie so schön in „O Mio Babbino Caro“ von Gianni Schicchi: O mio babbino caro,/mi piace è bello, bello;/vo'andare in Porta Rossa/a comperar l'anello!/Sì, sì, ci voglio andare!/e se l'amassi indarno,/andrei sul/Ponte Vecchio,/ma per buttarmi in Arno!/Mi struggo e mi tormento!/O Dio, vorrei morir!“
Die vorliegende Biographie wurde in Zusammenarbeit mit den Erben von Maria Callas und auch unter der Mithilfe ihrer Schwester realisiert. Sie war das letzte Märchen, die letzte Wirklichkeit, denen ein Zuhörer hofft, teilhaftig zu werden…”, schreibt die Bachmann in ihrer Hommage an Maria Callas. Keine andere habe so „auf der Rasierklinge gelebt“ und sei so großartig gescheitert wie sie. „(...) Sie ist groß im Hass, in der Liebe, in der Zartheit, in der Brutalität, sie ist groß in jedem Ausdruck, und wenn sie ihn verfehlt, (...) ist sie noch immer gescheitert, aber nie klein gewesen.“ Die Callas sei wahrhaftig die einzige Person, die „rechtmäßig die Bühne in diesen Jahrzehnten betreten hat“ und dabei habe sie nie nur eine Rolle gespielt, sie wäre immer die Kunst gewesen, „(...) die Ärmste, die Heimgesuchteste, die Traviata“. Die Tränen, die man weint, wenn man Callas hört - das weiß auch die Bachmann – denen braucht man sich nicht zu schämen.
A Film by Tony Palmer
Maria Callas - La Divina
1987 Isolde Films im Vertrieb von
Arthaus Musik
DVD mehrsprachig
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2010-02-11)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.