Dass Kurt Palm eine bekennender Rolling Stones Fan ist, wird man schon auf der ersten Seite merken, denn das gewünschte Zitat aus dem Song „Gimme Shelter“ der Stones darf aus urheberrechtlichen Gründen anscheinend nicht abgedruckt werden und so fehlt das Motto zwar, aber man es sich dennoch ausmalen: da ist von einem Sturm die Rede und von einer Schutzsuche und einer dieser Orte, wo man beides fand, war damals, in den Siebzigern, eben das Strandbad. Und auch wenn dort keine Revolution stattfand, so konnte man sich zumindest mit Gleichgesinnten treffen und in der Umkleidekabine den Mädchen zusehen oder gatschige Pommes mit Ketchup bestellen. Mit viel Einfühlungsvermögen und Verve schafft es Kurt Palm im ersten Teil seines Romans ein witziges Sittengemälde der damaligen Zeit zu zeichnen, das auch vor beißender Selbstironie nicht zurückschreckt. Die Charakterisierung der Protagonisten ist so gut gelungen und so witzig geschildert, dass es eine Freude ist: ein Heinrich wird zu einem Hendrix, auch wenn er keinen Afro trägt und eigentlich eher Johnny Winters Bleichheit hat. Oder Candy, der immer aus Sartre zitiert und endlich „etwas gegen den Vietnamkrieg“ unternehmen möchte. Und das in der österreichischen Provinz. Im Strandbad.
“ora et deflora“
Als dann eine aberwitzige Parole ausgerechnet auf der Mauer des Bankgebäudes auftaucht, schieben natürlich alle Jungs aus dem Umkreis des jungen Protagonisten die Paranoia, bis dann die Mamis aus der Umgebung „Essen“ schreiben und alle Revolutionäre putzmunter und hungrig an den heimischen Esstisch eilen, um sich die Bäuche vollzuschlagen, mit vollem Mund lässt sich dann auch besser resümieren: „wurde mir wieder einmal bewusst, dass es zur Revolution keine Alternative gab. Topfentorte hin oder her“. In dem Coming of Age Roman Kurt Palms spielen aber auch die ersten sexuellen Erfahrungen des Protagonisten Ernsti eine wesentliche Rolle, denn in Wirklichkeit ging es bei diesem ganzen Gerede um Revolution, Politik und Musik letztendlich doch nur darum, die Mädels zu beeindrucken. Aber auch die kommen bei Palm nicht schlecht weg, denn sie wissen, was sie wollen und holen es sich auch: „ora et deflora“.
Ein Roman für den Sommer
Das oberösterreichische Schamdreieck spielt in Kurt Palms witziger und unterhaltsamer Tragikomödie eine ebenso tragende Rolle wie ein paar Liedtitel von Stones-Alben, die der Autor als Kapitelüberschriften seines Romans wählte. Wer im Traum nach Mädchennamen ruft braucht sich lange nicht in die Künette legen, auch wenn er natürlich eher als „Seicherl“ rüberkommt. Vielleicht hilft Jane Fonda ja dem Ernsti dann doch noch beim antiimperialistischen Befreiungskampf? Bei allem Humor muss natürlich auch noch gesagt werden, dass im Roman auch noch ein furchtbares Unglück passiert. Beinahe wird der Sommer 1972 nämlich zu einem Katastrophensommer: „Ich war total sauer. Auf Anika, auf Candy, auf Taylor, und natürlich auf Iris. Und auf die Lehrer. Und auf die Eltern. Und auf die Amerikaner, die immer noch Nordvietnam bombardierten.“ Bei aller Tragik am Ende: insgesamt einfach ein herrlicher Sommeroman zum Lachen und Lesen im Strandbad mit ganz viel Augenzwinkern.
Kurt Palm
Strandbadrevolution.
Roman.
Deuticke
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-07-09)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.