Das vorliegende – zweisprachige - Buch ist an all jene gerichtet, die mit dem Arabischen als Fremdsprache arbeiten und erste originalsprachliche Texte in ihrem literarischen Kontext kennenlernen möchten. Es kommen sowohl Sprichwörter, Gedichtverse und Redensarten als auch Kochrezepte, Witze und sogar ein Lied in Notenschrift zur Sprache. Besonders schön sind natürlich auch die kalligraphischen Illustrationen, die eigens für das vorliegende Buch von Zuheir Elia geschrieben wurden. Ein kleiner, unbeschwerter Beitrag also zur gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskussion, der auch einmal die andere Seite zu Wort kommen lässt und eine Brücke zwischen den Kulturen und Literaturen baut. Links befindet sich jeweils der arabische Text mit Lautschrift und rechts jeweils die deutsche Version. Im Anhang findet sich auch eine Aussprachehilfe für die arabischen Buchstaben.
Hahn ohne Korb
„Im Schwung der Buchstaben wird die Schönheit der arabischen Sprachmelodie sichtbar“ schreibt Zuheir Elia, daher werde diese Schrift auch „Musik der Augen“ genannt. „Deine Zunge ist dein Pferd. Wenn du sie hütest, behütet sie dich“ steht in einer einen Pferdekopf abbildenden Kalligraphie auf Arabisch geschrieben. Aber natürlich erfährt der Leser auch sehr viel über Kultur und Geschichte der Araber, die sich von der saudi-arabischen Halbinsel aus über (fast) die ganze Welt ausbreiteten. In 22 Staaten wird Arabisch als Staatssprache gesprochen, diese nennt man auch die Arabische Liga. Schon im Mittelalter pflegten die Araber Beziehungen zum Westen, so etwa der berühmte Kalif Harun al-Raschid, der dem Frankenkönig Karl dem Großen einst einen Elefanten und eine hydraulische Uhr schenkte. Eine lustige Anekdote erzählt auch die Geschichte vom Hahn des Kalifen in der alle Diener Harun al-Raschid ein Ei einstecken mussten, um Abu Nuwa einen Streich zu spielen. Natürlich krähte schließlich auch dieser Hahn auf seinem Mist, wie ein arabisches Sprichwort so schön sagt. Die Kaligraphie zeigt das Sprichwort als Hahn und meint, dass jeder nur in seinem eigenen Bereich ein Meister ist. Ein „Fröhliches Hühnchen à la Farhan“ wird mit einer Zitrone im Bauch zubereitet, das Rezept findet sich genau beschrieben an passender Stelle des Buches platziert.
Legenden aus Maghreb und Maschrik
Orient und Okzident sind zwei Begriffe, die im Westen gerne benutzt werden, aber wer hätte gedacht, dass Maghreb – die Bezeichnung für die nordafrikanischen Staaten – auch ein Pendant kennt, nämlich Maschrik, und beide Worte zusammen so viel bedeuten wie Orient und Okzident, also Osten und Westen? In der Mitte von der aus das betrachtet wird, befindet sich übrigens Ägypten, im Osten der „Fruchtbare Halbmond“: Syrien, Libanon, Jordanien, Palästina, Irak und arabische Golfstaaten. Und auch ein letztes Geheimnis wird in vorliegendem Buch noch enthüllt: die Nase der Sphinx wurde nicht etwa von Obelix oder Napoleon im Wüstensand versenkt, sondern zu Beginn des 15. Jahrhunderts von einem religiösen Eiferer, wie der Historiker al-Marizi berichtete.
Wunderbare Geschichten aus dem west-östlichen Diwan auf Arabisch und Deutsch, zu Lernen voneinander und miteinander. Dazu ein „weißer Kaffee“ gefällig?
Claudia Ott (Hrsg.), Salim Alafenisch (Hrsg.), Antje Lenora (Hrsg.)
Erste arabische Lesestücke
dtv zweisprachig, Texte für Einsteiger, arabisch & deutsch
Kalligraphien von Zuheir Elia
Originalausgabe, 192 Seiten, ISBN 978-3-423-09537-2
dtv, 2017,
EUR 11,90 € [DE], EUR 12,30 € [A]
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-11-26)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.