Über Hanns-Josef Ortheils Kindheits -Roman "Die Erfindung des Lebens" schrieb ich vor vielen Jahren:
"Ortheil hat es in seinem wohl persönlichsten Buch auf eine meisterhafte Weise verstanden, das Gestern und das Heute zu verbinden und zu einer einmaligen Leseerfahrung zu machen.
Schon lange hat kein Buch mehr so mitfühlend vom Leben und der Liebe geschrieben. Ortheils Roman ist ohne jeden Kitsch und ohne jedes Pathos ein Buch, dessen wahre Geschichte noch das härteste Leserherz erweichen wird. Ein Buch über die heilende Kraft der Musik und die lebensrettende Wirkung des Schreibens und der Literatur. Denn niemand wird dieses Buch nach atemlosem und gebannt - mitfühlendem Lesen aus der Hand legen, ohne so etwas wie wirklichen Trost und Ermutigung für sein eigenes Leben gespürt zu haben, wie immer es auch aussehen mag.
Ein großes Buch, ein wahrhaft meisterhafter Roman."
Vielen Menschen ist es bei der Lektüre dieses wunderbaren Buches ähnlich gegangen, und viele werden, so wie ich, danach auch "Die Moselreise" zur Hand genommen haben, quasi der Vorläufer des gleich anzuzeigenden Buches. Von Hanns-Josef Ortheil als Elfjähriger nach der ersten Reise, die er allein mit seinem Vater unternahm, aufgeschrieben und hier zum ersten Mal, mit begleitenden Essays des Autors ergänzt, veröffentlicht, füllt es eine Lücke über entscheidende Tage im Leben von Ortheil, die in "Die Erfindung des Lebens" nur ganz nebenbei erwähnt worden sind.
Es war diese Reise, der dann viele weitere folgen sollten, die der kluge und umsichtige Vater organisiert hatte, um seinem Sohn aus seiner inneren Gefangenschaft herauszuhelfen. Das Buch ist nicht nur ein schöner Reisebericht, in dem sich das schriftstellerische Talent des späteren Autors schon andeutet, sondern auch ein einzigartiges bewegendes und eindrückliches Dokument einer wunderbaren Vater-Sohn-Beziehung.
Nach Vater und Sohn 1964 in Berlin waren (vgl. Die Berlin-Reise, Luchterhand 2014), unternehmen sie 1967 eine weitere, sehr große „Mittelmeerreise“ auf einem schwer beladenen Frachter, von Amsterdam, durch die Meerenge von Gibraltar bis nach Griechenland und Istanbul.
Ähnlich wie schon das Manuskript der „Moselreise“ wanderten auch die Aufzeichnungen des 16- jährigen Johannes, wie ihn sein Vater nennt, in das Familienarchiv, wo sie Hanns-Josef Ortheil wo er es erst vor einiger Zeit wiederentdeckte und mit wachsendem Erstaunen. Er hat sie abgetippt und hat sie zu einem „Roman eines Heranwachsenden“ collagiert.
So leicht verändert, wird dieses Buch nun wie die beiden anderen Reiseromane vorher veröffentlicht. Wie schon „Die Moselreise“ das große literarische Talent des gerade Zwölfjährigen zeigte, dem es sehr sensibel gelingt, feine Stimmungen aufzufangen und in Worte zu fassen, zeigt er sich vier Jahre später als gereifter junger Mann, der eine große Odyssee ins Erwachsenenleben beschreibt.
Wieder beobachtet die Menschen, die er trifft, ganz genau und ihm gelingt es meisterhaft, die Atmosphäre auf dem Frachter zu beschreiben. Er macht sich seine eigenen Gedanken zu Dingen, die er sieht oder Begriffen, die er hört.
Ich habe mich nach der Lektüre dieses faszinierenden Buches gefragt, ob im Jahr 1967 irgendein deutscher Verlag dieses Buch eines gerade Sechzehnjährigen veröffentlicht hätte, und welche Wirkung dessen genaue und feinfühlige Beobachtungen gehabt hätte bei der Kritik.
Allen Freunden von Ortheil sei dieses Buch sehr empfohlen. Und wer seinen oben beschriebenen und wertgeschätzten Roman noch nicht kennt und die Beschreibung der ersten beiden Reisen - man sollte es nachholen.
Trotzdem allem freue ich mich auf den Altersroman von Ortheil.
Hanns- Josef Ortheil, Die Mittelmeerreise, Luchterhand 2018, ISBN 978-3-630-87535-4
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2018-11-20)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.