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Pedro Orgambide - Ein Tango für Gardel
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Orgambide, Pedro:
Ein Tango für Gardel

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(Bücher frei Haus)

„Sollte es einmal einen Präsidenten mit dem Lächeln von Gardel geben, dann hat er das Volk schon in der Tasche“, soll Juan Domingo Peron, der spätere – tatsächliche - argentinische Staatspräsident, als junger Mann einmal gesagt haben. Gardel sollte diesen Tag zwar nicht mehr erleben, an dem sich Peron den Frack von Gardel anzog, seine Haare ebenso wie er zurück gelte und sein bestes Lächeln aufsetzte, um die Macht zu übernehmen, aber Peron gab ja auch freimütig zu, dass jeder mal einen schlechten Tag haben konnte, „selbst Gardel“. Auch für Peron gab es derer wohl viele.

Der argentinische Tangosänger und Nationalheld Charles Romuald Gardès, genannt Gardel, verunglückte 1935 tragisch bei einem Flugzeugzusammenstoss. Wie kein anderer seiner Generation verkörperte er die Sehnsüchte und Wünsche der Einwanderer, hatte er selbst es doch vom Armenhäusler zum Lieblingssänger des Diktators – das „Bison“- und später auch der schicken Pariser Gesellschaft und New Yorks gebracht. Gardels Mutter war mit ihrem unehelichen Sohn von Toulouse nach Argentinien ausgewandert, um wie so viele andere dort ihr Glück zu versuchen und dem sozialen Druck der Heimat zu entfliehen. Doch die soziale Realität in der Neuen Welt sah zumeist noch viel schlechter aus, als der Ort, von dem die Auswanderer geflohen waren. So hausten auch Gardel und seine Mutter in einem Abbruchhaus und mussten sich den einzigen Brunnen mit 50 anderen Personen teilen. Im Nachwort schreibt Jorge Aravena Llanca über die Verhältnisse in die der berühmte Gardel geboren wurde: „Es waren Mietshäuser oder Mietskasernen, wo jedes Zimmer eine ganze Wohnung bildete, so wie auf dem Schiff während der Überfahrt, gerade einmal so groß wie eine winzige Kabine, doch ohne ein Bullauge als Fenster.“

Der „kreolischen Drossel“ (El Zorzal Criolo), wie Gardel liebevoll von seinen Verehrern genannt wurde, verkörperte einen kollektiven Traum, den der Autor dieser Romanbiographie, Pedro Orgambide, in einer Art Vexierbild wieder auferstehen lässt. Ausgehend von seinem tödlichen Unfall entwirft er ein Leben im Spiegel seiner Zeitgenossen, verwoben mit fiktiven Elementen und einer Erzählweise, in der sich Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu einem ganz eigenen Porträt der Künstlerpersönlichkeit Gardel vermischen. Das „Postkartengesicht“ (O-Ton) wird dabei nicht nur von seiner positiven Seite gezeigt, aber wem würde der schnelle Erfolg auch nicht zu Kopf steigen? „Ich verdiene viel Geld, doch ich gebe alles aus. Ich mag das goldene Leben der Bohème, das Cabaret, schöne Frauen…und Pferderennen…“. Auf die Frage, was ihm denn wichtiger sei, Frauen oder Pferderennen, soll Gardel charmant geantwortet haben: „Lachen sie nicht meine Herren, aber beides ist gleich wichtig! Ein Macho wird auch Hengst genannt, und eine Frau, die sich bezahlen lässt, Stute.“

Gardel sang in der Sprache des Volkes, „Lunardo“ nennt man sie, die Sprachen, die die Einwanderer aus ihren verschiedenen Heimatländern mitbrachten und zu Lunardo verschmolzen, waren ihre Grundlage. „Le Roi du Tango“ konnte das ausdrücken, was so viele wünschten sagen zu können, aber Gardel verstand es sogar noch, die süßesten Melodien aus diesen Worten des Leids herauszuholen und brach damit nicht nur den schönsten Frauen die Herzen. Enrico Caruso wird schon gewusst haben, warum er Gardel bei einer zufälligen Bewegung auf einem Passagierdampfer zugeflüstert haben soll: „Bewahren Sie sich bloß ihre Baritonstimme!“ Caruso, der „Mann aus Tacuarembo“, ein gewisses Mädchen aus Toulouse, Astor Piazolla, Peron oder das Bison, Garcia Lorca oder Le Pera, der Gardels Texte schrieb und auch eine gewisse Rolle bei seinem Tod gespielt haben soll, spielen in dieser Romanbiographie ebenso eine Rolle wie Gardels Musik, der man übrigens auch – ganz so wie bei Elvis („der amerikanische Nationalheld“) – in einer Vielzahl von Filmen lauschen kann. Carlos Gardel wollte die Welt nicht verbessern, wie er selbst sagte, sondern „nur in ihr leben“, was ihm immerhin fast 50 Jahre lang auch gelang. Durch seinen frühen Tod hat er über seine Kunst hinaus einen argentinischen Mythos verkörpert, dem sich Pedro Orgambide in einer ganz persönlichen Hommage widmet, die jeder Fan von Gardels Musik mit dem entsprechenden Fanatismus verschlingen wird.

Pedro Orgambide
Ein Tango für Gardel
Eine Romanbiographie
Wagenbach 2010-10-30

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2010-10-30)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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