Wenn Veronique Olmi einen neuen Roman vorlegt, dann sind zwei Dinge sicher: er schießt in Frankreich sehr schnell in den Bestellerlisten nach oben und er handelt von der Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann.
So ist es auch in ihrem neuen Buch „Das Glück, wie es hätte sein können“, das in seinem französischen und deutschen Titel schon ankündigt, dass die beschriebene Liebesbeziehung nicht dauerhaft von Erfüllung und Glück geprägt ist.
Serge ist ein sehr wohlhabender Immobilienmakler, der mit seiner Frau Lucie und seinen beiden noch kleinen Kindern in einem großen Haus in Montmartre in Paris wohnt. Da sein Sohn Klavier spielen soll, haben Lucie und Serge einen Flügel gekauft, was schon zeigt, auf welch großem Fuß sie leben. Eines Tages kommt die äußerlich eher unscheinbare Klavierstimmerin Suzanne in Serge Haus um diesen Flügel zu stimmen. Eine flüchtige Begegnung an der Haustür hat zunächst auf Serge keinen Einfluss, doch in den kommenden Tagen geht ihm diese Frau nicht aus dem Kopf. Er nähert sich ihr und sie schlafen miteinander. Eine leidenschaftliche Beziehung beginnt. Auch deshalb, weil nicht nur Serge mit seiner Frau Lucie in einer Sackgasse lebt, sondern auch Suzanne mit ihrem ruhigen Mann Antoine nicht mehr so recht weiter weiß.
Und wie es bei allen Liebenden ein unbändiges Bedürfnis ist, will auch Suzanne von Serge wissen, wie er zu dem geworden ist, den sie kennengelernt hat. Doch Serge hält sich zurück, was Suzanne immer mehr von ihm entfremdet. Schon früh lässt Veronique Olmi den Leser spüren, dass sich hinter ihrem Protagonisten Serge eine komplizierte und dramatische Lebensgeschichte verbirgt, die ihn zu einem Mann hat werden lassen, der, obwohl er Suzanne aufrichtig liebt, ihr nicht geben und zeigen kann, wer und was er ist. Und sie fragt sich an einer Stelle:
„Woher kommst du, Serge? Von wo kommst du? Sie erinnert sich an das Lied, das Angst macht, wie man den Wolf fragt, was er macht , und wie er sich vorbereitet, aus seiner Höhle zu kommen und sie zu fressen, alle die neugierigen kleinen Kinder, die gewagt haben, ihn zu fragen: Wo bist du? Was machst du? Hörst du uns? Serge legt die Hände auf die Ohren. Das Zimmer ähnelt ihnen nicht mehr. Ist ein unwirklicher und fiktiver Raum: Suzanne nimmt ihre Tasche und geht.“
Im Verlauf eines Romans mit einer dichten, eindrücklichen und unprätentiösen Sprache erfährt der Leser viel über die Lebensgeschichte von Serge und warum er weder seiner Frau Lucie noch seiner Geliebten Suzanne ein wirklicher Mann sein kann und seinen beiden Kindern kein richtiger Vater. Nur so viel sei angedeutet: es hängt mit der verdrängten und vergessenen Geschichte seiner Eltern zusammen und einem Vorfall, der den damals noch kleinen Serge für sein Leben traumatisiert hat. Und obwohl er der Wahrheit auf eine schmerzliche Weise immer näher kommt, scheint er sein Glück nicht zu finden.
Ein Roman, der bewegt und berührt und dem es auf eine bemerkenswerte Weise gelingt zu beschreiben, wie verdrängte Erlebnisse und Traumen unserer Kindheit unsere gegenwärtigen Beziehungen belasten und bedrohen können.
Veronique Olmi, Das Glück, wie es hätte sein können, Kunstmann 2014, ISBN 978-3-88897-927-9
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-05-19)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.