„Ich habe da ein winziges Problem, ich habe eine Wahnvorstellung“ , meint der Protagonist in „Kopfschmerzen“, einer der Geschichten in dieser Kurzgeschichtensammlung. Uli Oesterle’s Zeichnungen haben alle einen ganz eigenen, unvergleichlichen Stil, seien sie nun in Farbe oder in Blau/Schwarz-Weiß gehalten. Sie verbreiten stets eine düstere authentische Atmosphäre amerikanischer Gangsterfilme des Film Noir und seine Protagonisten sind wohl das, was man gemeinhin als „Nighthawks“ bezeichnet. Auch Edward Hopper könnte ein Einfluss sein, aber ganz klar definiert sich Oesterle auch selbst, wenn er in einer seiner Geschichten den kleinen Hund des weltbekannten Gourmets einfach Buñuel nennt. Der absurde Humor des surrealistischen Regisseurs aus Spanien könnte auch für den in Karlsruhe geborenen und in München lebenden Oesterle eine gewissen Einfluss bei seiner Entwicklung gehabt haben, denn wie er in der letzten Geschichte, „Frass“, zeigt, verwendet er selbst auch eine gewisse Portion davon in seinen Geschichten
Atmosphärische Dichte
„Frass“ handelt von dem Gourmet und Restaurantbesitzer Serafin Brute, der seinen Geschmackssinn verliert und plötzlich nichts mehr „schmeckt“. Zu seinen Gelagen im „Chez Killroy“ lud er sich die teuersten Huren ein, nur um sie als Gesellschaft zu haben und er es sich leisten konnte, denn „benutzen“ konnte er sie nicht. Seine einzige Leidenschaft ist das Essen und sein Orgasmus die richtige Speisenabfolge. Als nach Genuss eines Sushis sein schlimmster Albtraum wahr wird und er seinen Geschmackssinn tatsächlcih verliert, weiß er sich nicht anders zu helfen, als dass er sich seinen Buñuel als „andalusischen Hund (so der Titel von Buñuels erstem Film mit Dalí) mit Orangenfilets und jungen Oliven vor einem Petersilienwäldchen“ servieren lässt. Aber auch das bringt ihm seinen Appetit und Geschmackssinn nicht wieder zurück. Bis er schließlich eine viel bessere Lösung findet...
“Graphic Blu“ und Film Noir
In „Vier Minuten sechsundvierzig“, das farblich ganz in Schwarz/Blau gehalten ist, verwendet Oesterle einen Tom Waits Song „Bad Liver and a Broken Heart“ als Transportmittel seiner Geschichte um einen ausgebrannten 50-jährigen, den seine Frau wegen eines Vertreters von Hundebürsten verlassen hat. Tiberius geht in die Lizard Bar (eine Hommage an die Lounge Lizards aus einem Jarmusch-Film) und schüttet sich dort mit Lagavulin zu, um einen Dialog mit Tom Waits zu einem Happy End zu bringen. Knisternde Atmosphäre und knackige Dialoge machen diese Geschichte zu einem echten „Graphic Blu“, wie man in Anspielung an die Filmreihe der Vierziger Jahre, den Film Noir, diese genialen Zeichnungen nennen möchte. Ebenso cool ist auch die Erzählung „Gib“, die weit ausholt, um einen schließlich tief am Boden landen zu lassen: ohne Beine. In „Der Unsichtbare“ liest Oesterle auch den Unsicheren dieser Welt eine Messe, denn wer sich nicht bemerkbar macht, ist selbst schuld, wenn die Umgebung ihn nicht wahrnimmt, als das was er eben ist. Aber auch mit Hirngespinsten und Wahnvorstellungen beschäftigt sich Oesterle, etwa in der den Titel inspirierenden Geschichte dieser Sammlung von Kurzgeschichten „Kopfschmerzen“.
Uli Oesterle
Kopfsachen. Acht grafische Erzählungen
Format: 17,50 x 24,50 cm
176 Seiten
ab 14 Jahren
ISBN: 978-3-551-73429-7
D: 16,99 €/A: 17,50 €
Carlsen Comics
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-12-14)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.