Odyr ist der brasilianische Comic-Zeichner und Maler, der die Geschichte von George Orwell aus dem Jahre 1945 in beeindruckende Bilder umgesetzt hat. Sie erschien erstmals 2018 im Original und nun bei Panini Comics im handlichen Format. Das Original wurde von Orwell unter dem Eindruck der faschistischen und stalinisitschen Diktaturen Europas verfasst.
Die Fabel der Fabeln
Der Autor und Zeichner Odyr hat einige Passagen der Romanvorlage leicht verändert, folgt aber im Großen und Ganzen der zeitlosen Erzählung von Orwell. Sein Pinselstrich erinnert an Van Gogh und ist bei aller Verschwommenheit doch ausdrücklich klar in seinem Erscheinungsbild. Einzelne Bilder sind durchwegs als Kunstwerke zu bezeichnen, etwa das Auftaktbild, das die Manor Farm in ihrer ganzen Schönheit zeigt. Aber hinter der vermeintlichen Schönheit verbirgt sich die Grausamkeit des Menschen, der die Tiere auf der Farm unterjocht. Sein Name „Mr. Jones“ ist gut gewählt, denn es könnte tatsächlich ein „Jedermann“ sein, der als Bauer diese Farm führt. Old Major, das älteste Tier der Farm, ist ein Schwein und er ruft zur Versammlung aller Tiere der Farm in die Scheune. Er legt den Grundstein für die spätere Revolution der Tiere, die dann ebenfalls von zwei Schweinen angeführt wird, Schneeball und Napoleon. Allgemein betrachtet man dieses Triumvirat als Lenin-Trotzki-Stalin, die die russische Revolution anführten, aber auch in den Abgrund stürzen ließen. Denn gerade unter Stalin (Napoleon) wurde aus dem Sozialismus in einem Lande eine Arte russischer Nationalsozialismus, mit Lagern, Morden und Umsiedlungen.
Klassiker brillant in Bilder umgesetzt
Aber natürlich ist die Farm der Tiere nur eine Fabel und soll allgemeingültig für jedes Land exemplarisch darstellen, was alles bei einer Revolution schief gehen kann. Denn wenn am Ende die Schweine sogar in den Betten der Menschen schlafen und an ihren Tischen essen und Zigarren mit den Bauern der umliegenden Farmen rauchen, dann weiß man, dass schlussendlich wieder alles beim Alten ist und alle Opfer umsonst waren. Alle Opfer? Nicht ganz, denn jede Revolution sorgt doch immerhin dafür, dass das Selbstwertgefühl wächst und die Menschheit wieder einen Schritt vorwärts macht. Auch wenn ich die Pointe hier also schon verraten habe, lohnt es sich in jedem Fall, diese Graphic Novel zu lesen. Allein wegen dem Zeichenstil, aber auch wegen der Worte, die sich nun an der Front der Scheune befinden: „Alle Tiere sind gleich, nur manche sind gleicher.“ Eine wunderbare Geschichte, die man auch an die nächste Generation weitergeben sollte.
Odyr
Farm der Tiere. George Orwell.
Die Graphic Novel
2021, Hardcover, Graphic Novel
ISBN: 9783741623141
25€
Panini Verlag
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2021-05-17)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.