Das vorliegende Buch der amerikanischen Philosophin Martha Nussbaum, die zu den profiliertesten Vertreterinnen ihres Faches weltweit gilt, und für ihr umfangreiches Werk mit zahlreichen Preisen und Ehrungen ausgezeichnet worden ist, ist, wie sie in einem Nachwort schreibt, im Zusammenhang des durch Donald Trump polarisierten Präsidentschaftswahlkampf 2016 in den USA entstanden und hat seitdem nichts an Bedeutung verloren. Ganz im Gegenteil. Auch in dem einst so stabil erscheinenden Europa ist ähnlich wie vorher in den USA eine gesellschaftliche Spaltung spürbar, die man so lange nicht für möglich gehalten hätte.
Die Rhetorik der Ausgrenzung blüht und erklimmt immer neue unmenschliche Höhen und die Unfähigkeit der verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Gruppen, miteinander vernünftig und ohne gegenseitige Verdächtigungen und Herabsetzungen zu kommunizieren geht gegen Null.
Zwar beschreibt auch Nussbaum diese schon oft analysierten Phänomene, doch getreu dem Ansatz ihrer letzten Bücher, vor allem „Die neue religiöse Intoleranz“(2014) und „Zorn und Vergebung“ (2017) geht sie in ihrer Analyse sehr viel tiefer. Für sie liegt der Kern des Problems darin, dass all diese politischen Phänomene immer auch einen erheblichen emotionalen Anteil haben.
Die Globalisierung hat mit ihren Folgen bei zahlreichen Bürgern und Bürgerinnen der westlichen Gesellschaften ein Gefühl der Machtlosigkeit hervorgerufen, das zu Ressentiments und Schuldzuweisungen führt: Schuld an der Misere sollen wahlweise die Immigranten sein, die Muslime, andere Rassen, die kulturellen Eliten. Die Flüchtlingskrise nach 2015 und der Umgang mit ihr hat insbesondere in Deutschland die gesellschaftliche Spaltung in einem atemberaubenden und angsterregenden Tempo beschleunigt.
Mit vielen lehrreichen und anregenden Verweisen auf die Philosophiegeschichte von der Antike bis in die jüngere Gegenwart zeigt Martha Nussbaum in ihrem verständlich geschriebenen Buch, dass nicht nur in den USA diese Mechanismen auf allen Seiten des politischen Spektrums am Werk sind. Nicht nur auf der rechten Seite wird gespalten und gehetzt was das Zeug hält, auch die Linke bedient sich überall auf der Welt eifrig dieser Topoi.
Für Martha Nussbaum ist klar, dass diese Spaltungen nicht gut sind für eine demokratische Gesellschaft, ja, dass sie sie sogar in ihren Grundfesten bedrohen und in Frage stellen.
Ähnlich wie der mittlerweile 90- jährige Jürgen Habermas in Deutschland gibt sie aber die Hoffnung nicht auf und zählt auf die Vernunft auch des einzelnen Menschen und Lesers. In einer Rezension aus den USA heißt es: „Nussbaum, mit ihrem eleganten und präzisen Stil schreibt mit gelassener Klarheit über Bauchgefühle wie Neid und Abscheu ... Einer der Vorzüge des Bandes liegt in der gewissenhaften Vorgehensweise, mit der Nussbaum die Leser Schritt für Schritt dazu bringt, innezuhalten, genauer nachzudenken und ihre reflexhaften Haltungen zu hinterfragen. Nussbaum ist eine gewandte Rhetorikerin …Sie will zeigen, wie grundlegend und universal das Gefühl der Angst ist: ursprünglich waren wir alle hilflose Säuglinge, angewiesen auf Güte und Barmherzigkeit der anderen.“
Martha Nussbaums neues Buch ist ein voller Hoffnung auf Veränderungsmöglichkeiten geschriebenes Werk, ein Buch das die Angst , die Wut und den Zorn beschreibt, der sich gegen andere richtet. Angst ist immer Gift für die Demokratie. Es ist ein flammender Appell an jeden einzelnen Bürger, aber auch an die Menschen, die an unterschiedlichen Stellen in der Gesellschaft auch für deren Humanität Verantwortung tragen, die Hoffnung nie aufzugeben und die Flamme der Menschlichkeit und Solidarität nicht verlöschen zu lassen bzw. immer wieder neu anzuzünden.
Ein wichtiges und beeindruckendes Buch.
Martha Nussbaum, Königreich der Angst. Gedanken zur aktuellen politischen Krise, wbg theiss 2019, ISBN 978-.3-8062-3875-4
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2019-09-23)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.