„Der Panther“ ist das wohl bekannteste Gedicht des 1875 in Prag geborenen Poeten Rainer Maria Rilke. Im Jahr 1902 oder 1903 war Rilke nach einem Besuch des Jardin des Plantes in Paris von einem eingesperrten Panther so tief beeindruckt, dass er kurz danach seine Eindrücke in ein Gedicht fasste, dass wegen seiner Tiefe und seinen Anklängen an die letztliche Gefangenheit aller menschlicher Existenz weltberühmt geworden ist und bis heute auch Menschen bekannt ist, die sonst wenig sich mit Poetik beschäftigen. Rilke beschreibt die Welt aus der Sicht des Panthers hinter seinen Stäben und legt doch viel existienzielle menschliche Erfahrung hinein.
Der Panther hat keinen Bezug mehr zur Welt außerhalb seines Käfigs, sein Sein hat kein Du, an dem es sich reiben oder mit dem es sich messen kann. Mit nur wenigen Zeilen stellt Rainer Maria Rilke das Leben des Panthers dar und tut dies mit einem Gefühl für den Verlust von Identität, wie es nicht unmittelbarer mitzuteilen ist.
In der durchweg empfehlenswerten Reihe „Poesie für Kinder“ des Kindermann Verlags ragt dieses Buch durch die Illustrationen von Julia Nüsch heraus.1979 geboren und an der HAW ausgebildet, arbeitet sie seit 2009 freiberuflich für Agenturen, Verlage und Zeitschriften. Für den "Kindermann Verlag" hat sie zuvor "Der Kaufmann von Venedig" illustriert.
Die Zeichnungen sind so etwas wie Gedichte ohne Worte. Wer die Zeichnungen ansieht, kann vielleicht eine Ahnung davon bekommen, wie sich Rainer Maria Rilke gefühlt hat, als er dem Panther begegnete. Es geht nämlich nicht um den Panther allein, es geht um die Beziehung zwischen dem Panther und dem Dichter. Dies macht das Buch zu einem besonderen Erlebnis. Die Trennung zwischen dem Gegenstand der Betrachtung und dem Betrachter ist also aufgehoben. Und führt dazu, dass die Bilder eine eigene Sprache haben, die mit der Sprache des Dichters korrespondiert.
Ein wunderschönes Buch nicht nur für Kinder.
Julia Nüsch, Rainer Maria Rilke, Der Panther, Kindermann Verlag 2018, ISBN 978-3-934029-71-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzickt (2018-07-05)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.