Sie haben es schon einige Zeit geplant. Auf den Spuren Goethes und anderer wollen Connie und Douglas zusammen mit ihrem 17 Jahre alten Sohn Albie die Grand Tour machen und auf einer großen Europareise die Kunstschätze des Kontinents sehen. Seit über zwanzig Jahren führen Douglas und Connie eine durchaus glückliche Ehe, und Albie will bald ausziehen von zu Hause um sich dem Studium der Fotografie zu widmen.
Doch eines Nachts – die Reise ist von dem akribischen und eher nüchternen Biochemiker Douglas schon perfekt geplant und vorbereitet worden - weckt Connie ihren Mann auf und sagt zu ihm: „Ich habe das Gefühl, unsere Ehe ist am Ende, Douglas. Ich glaube, ich will dich verlassen.“
Douglas ist geschockt. Zwar hat er zu seinem Sohn Albie nie eine richtige Beziehung entwickeln können und seit einiger Zeit rasseln die beiden fast täglich aneinander zum Leidwesen von Connie, doch mit seiner Frau hat er sich auch sexuell immer gut verstanden. Auch weil die seine charakterlichen Besonderheiten immer geschickt auszugleichen verstand. Doch nun scheinen die ehelichen Ressourcen offenbar verbraucht.
Nun sieht er plötzlich in der geplanten Reise einen allerletzten Versuch, seine Frau von ihrer Entscheidung abzubringen und sie umzustimmen. Auch Connie und Albie wollen gerne an der Reise festhalten, auch wenn Albie schon vor der Abreise auf seiner Unabhängigkeit besteht. Die Reise muss ein Vermögen kosten, was Douglas in seinem Job offenbar verdient, denn sie steigen in den besten Hotels ab und leben nicht schlecht.
Der Pariser Louvre, das Amsterdamer Rijksmuseum, die Münchener Pinakothek, Venedig, Verona, Mailand, die Florenzer Uffizien, Rom, Pompeji bis nach Neapel, das sollen die genau und bis in alle Einzelheiten perfekt geplanten Stationen sein, die er der Reisequalität wegen alle mit der Bahn ansteuern will.
Doch bald schon, so berichtet uns Douglas als Ich-Erzähler, gerät die gemachte Planung schon aus dem Ruder. Die Interessen der drei Familienmitglieder unterscheiden sich erheblich, und permanent gibt es Streit, vor allem zwischen dem rigiden Douglas und seinem Sohn. Im Verlauf der Reise wechselt der Erzähler immer wieder in die Vergangenheit, berichtet vom Kennenlernen des Paares, von der ersten Zeit ihrer Ehe. Obwohl der an manchen Stellen ein von seinen Konventionen und Ängsten regelrecht gefangener Kotzbrocken ist (ein Horror für einen erwachsen werdenden Sohn), wird Douglas dem Leser in seinem aufrichtigen Bemühen um seine Familie immer sympathischer.
David Nicholls zeigt sich wie schon in „Zwei an einem Tag“ als ein humorvoller und hintergründiger Analyst menschlicher Beziehungen. Eine witzige, an manchen Stellen aber auch tieftraurige Geschichte über eine Familie und ihre Auflösung verbunden mit einer Menge Kunstgeschichte.
Lesenswert.
David Nicholls, Drei auf Reisen, Kein & Aber 2014, ISBN 978-3-0369-5701-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-11-03)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.