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Freya Mülhaupt - John Heartfield: Zeitausschnitte
Buchinformation
Mülhaupt, Freya - John Heartfield: Zeitausschnitte bestellen
Mülhaupt, Freya:
John Heartfield:
Zeitausschnitte

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(Bücher frei Haus)

In der Berlinischen Galerie, dem Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur in Berlin läuft derzeit die gleichnamige Ausstellung, noch bis 31. August 2009. Der Katalog zur Ausstellung ist im Format 23,9 x 27,7 cm beim Hatje Cantz Kunstverlag erschienen und enthält Texte von Thomas Friedrich, Sabine Kriebel, Roland März, der Herausgeberin, An Paenhuysen, Rosa von der Schulenburg, Andres Mario Zervigon und Peter Zimmermann.

Auslöser für Herzfeldes politische Fotomontagen war der Große Krieg von 1914-1918, der bei vielen Intellektuellen dieser Zeit große Ablehnung hervorgerufen hatte. Als Aushilfsbriefträger soll der junge Herzfelde sogar so manche Ausgabe kriegstreiberischer Druckerzeugnisse in den Gully – wo sie ja auch hingehören – geschmissen haben. Weit größer noch ist aber selbstverständlich John Heartfields Verdienst als Fotomonteur für die AIZ (Arbeiter-Illustrierte-Zeitung), die in den Zwanziger Jahren bereits die Gefahr der marodierenden Ex-Soldaten, Junker und Paramilitärs erkannte und deutlich vor dem Nationalsozialismus, der ein Sammelbecken dieser Entwurzelten wurde, warnte.

John Heartfield wurde aber auch als Buchillustrator bekannt, vor allem durch die Zusammenarbeit mit seinem Bruder Wieland Herzfelde vom Malik Verlag, aber auch durch seine Freundschaft zu George Grosz. Wie die Herausgeber betonen soll in vorliegender Publikation John Heartfield als Pionier an der Schnittstelle von Kunst und Medien vorgestellt werden. „Die Arbeiten des politisch engagierten Fotomonteurs nehmen dabei den breitesten Raum ein, ihre Bedeutung zeigt sich im Rückblick darin, dass sie das Verblassen der politischen Illusionen und der revolutionären Selbstgewissheit, die in sie eingegangen sind überlebt haben.“

John Heartfields Engagement für die KPD und die damit verbundene schönfärberische Darstellung der UdSSR mag ihm von manchem heutigen Zeitgenossen vorgeworfen werden, sein Werk überragt aber deutlich seine politische Ideologie. Ironie der Geschichte sollte doch ausgerechnet John Heartfield nach dem Zweiten Weltkrieg nicht in die Nachfolgepartei der KPD, die SED, aufgenommen werden und zwar „ aus Sicherheitsgründen“. Tatsächlich war einer der bedeutendsten deutschen Künstler der Zwanziger und Dreißiger Jahre von der DDR quasi „verschluckt“ worden. Er lebte zurückgezogen und unauffällig in Ostberlin bis zu seinem Tode 1968, die internationale Anerkennung wurde ihm jedoch durch viele Ausstellungen im Ausland noch zu Lebzeiten zuteil.

Zurück zu seinem künstlerischen Werk und seinen Anfängen beim Dadaismus mag besonders erwähnenswert sein, dass Heartfield nicht umsonst an der Kunstgewerbeschule in München Angewandte Grafik und Künstlerische Reklame studiert hatte. Eigentlich wollte er ja Maler werden, doch durch die Grausamkeit des Krieges verging ihm bald die Lust auf Schöngeistiges und er setzte sein Vorbild George Grosz nunmehr als graphische Waffe gegen den Krieg ein. Als Cheflayouter von Dada-Berlin verdiente er sich seinen ersten Titel als „Monteurdada“. Montage wurde dabei als „Umbruch“ eingesetzt: die alte Welt, die so einen Krieg hervorgebracht hatte, sollte einstürzen. „DADA ist GROSS und John Heartfield sein Prophet“, heißt es auf einem Plakat, „Nieder die Kunst, Nieder die bürgerliche Geistigkeit“.

Als Illustrator von Büchern deutlich linker Provenienz, etwa John Reeds „10 days“, Wittvogels „Proletarischer Revolution“ oder auch Upton Sinclair und Franz Jung, machte sich Heartfield besonders in den Zwanzigern einen Namen. Bei dem Titel „Der Untergang der Humanität“ von Alexander Block etwa, setzte er den Schriftzug in große Lettern, die mit Texten gefüllt waren: Untergang bedeutet hier vor allem auch das Ende des Alphabetismus, des Lesens, der Literarizität. Eine Angst, die auch heute, im Zeitalter der virtuellen Welten, wieder umgeht. Schon Gustave Le Bon („Psychologie der Massen“) wusste, dass die Massen vor allem über das Gefühl nachhaltig zu beeinflussen wären, das Foto also mehr zählte als das Bild und Kurt Tucholsky machte John Heartfield genau darauf aufmerksam, damit aber seine Fähigkeiten in den Dienst der „guten Sache“ zu stellen. An Paenhuysen geht in seinem Beitrag zu vorliegender Werkschau genau auf diese Fragestellung ein, und zwar anhand des von den beiden Künstlern publizierten Werkes „Deutschland, Deutschland über alles“.

Weitere Reproduktionen von Titelblättern und Plakaten Heartfields sowie genauere Erklärungen zu seinen Selbstporträts und politischen Ansichten, kritische Bemerkungen zu seinem Sowjetunion-Bild oder der Mythos der Freundschaft mit George Grosz werden gekonnt von den genannten Autorinnen und Autoren zu einem charakteristischen Gesamtbild des Propagandisten der Linken „montiert“. Natürlich ist seinem Werk auch eine kurze Biographie in Text und Bildern angehängt. So erhält einer der größten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts endlich eine entsprechende und adäquate Würdigung die jedem Kultur- und Zeitgeschichteinteressierten interessante und aufklärerische Stunden bescheren wird. Der Propaganda der Schrift/Graphik/des Wortes sollte selbstverständlich auch die Aktion folgen. Louis Aragon feierte die „revolutionäre Schönheit“ von Heartfields Kunst, mehr noch als das, vermochte er Zusammenhänge zwischen Kapital und NS-Herrschaft deutlich wie kein anderer darzustellen und so einem breiten Publikum, die Mechanismen des Terrors zu verdeutlichen. In diesem Sinne war Heartfield vor allem auch ein Mann der Tat und nicht nur der bloßen Theorie.

Freya Mülhaupt (Hrsg)
John Heartfield: Zeitausschnitte
Fotomontagen 1918-38

2009
Hatje Cantz
176 Seiten 230 davon 144 farbige Abbildungen
ISBN: 978-3-7757-2432-6
35,00.-€

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2009-07-23)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


->  Stichwörter: Kunst

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