„Und schimpft ihr den Vegetarier einen Tropf,/so schmeißen wir euch eine Walnuss an den Kopf/“, spöttelt der anarchistische Publizist in „Der Gesang der Vegetarier“. Was daran verblüfft? Die Aktualität des Textes und dass ja eigentlich alles schon einmal da war, bevor es die Nationalsozialisten auslöschten und vernichteten. Denn die spöttischen und anarchischen Texte von Erich Mühsam wurden leider ebenso verbrannt wie seine Person selbst verfolgt und schließlich im Konzentrationslager – nach einem langen Leidensweg – umgebracht wurde. Umso mehr lohnt es sich Mühsams Texte wieder zu lesen und unter’s Volk zu bringen, denn sie haben – wie eingangs demonstriert – nichts von ihrer Aktualität und ihrem geistigen Sprengstoff eingebüßt. Der Verbrecher Verlag hat nicht nur die Tagebücher des Räte-Revolutionäres Erich Mühsam publiziert, sondern auch viele andere Texte. Einige seiner besten zwischen 1901 - 1934 liegen nun in der vorliegenden Sammlung „Das seid ihr Hunde wert! Ein Lesebuch“, herausgegeben und ausgewählt von Manja Präkels und Markus Liske, vor. „Stimmt eure Seelen zu festlichen Klängen,/Füllt eure Herzen mit jauchzendem Wein!-/Denn die Jahre der Jugend drängen,/Und das Alter bricht polternd herein,-/“, schreibt Mühsam ermunternd in „Das Trinklied“.
Politiker der Sprache
1878 in Berlin geboren ist die Person Erich Mühsam doch vor allem mit München verbunden, wo er an der Ausrufung der Münchner Räterepublik 1918/19 beteiligt war und dafür auch interniert wurde. Aber schon ab 1909 lebte er in München-Schwabing und war eine Art Zentralfigur der Schwabinger Bohème, befreundet mit Heinrich Mann, Frank Wedekind, Lion Feuchtwanger, Fanny zu Reventlow und vielen anderen. Er arbeitete für das Münchner Kabarett und verschiedene satirischer Zeitschriften wie des Simplicissimus und der Jugend, seine eigene Zeitschrift Kain gab er zwischen 1911 und 1919 ebenfalls in München heraus. 1933 – wieder in Berlin wohnhaft - wurde er verhaftet und am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg von der SS-Wachmannschaft ermordet.
Mühsam-Blues
Der vorliegende Band versammelt Texte des „Bohemiens, Dichters, Anarchisten, Humoristen, politischen Publizisten, Dramatikers, bisexueller Erotomanen, Revolutionärs, selbst in größter Not unbeirrbarer Menschenfreund und schließlich eines der ersten prominenten Opfer der Nazis“ (Aufzählung nach Verlagstext) zu einem informativen Lesebuch über eine bewegte Zeit voller Schrecken und Wirrnissen, aber auch Hoffnung und Widerstands. Neben unveröffentlichten Gedichten, Auszüge aus längeren Werken, ausgewählte Briefen und einer eindringlichen und erschütternden Beschreibung seiner letzten Tage aus der Feder seiner Frau Zenzl lernt der Leser und die Leserin auch den überzeugten Anarchisten, der zeitlebens bereit war, für seine politischen Überzeugungen mit Leib, Freiheit und notfalls auch mit dem Leben einzustehen, kennen. Aber auch amüsante Geschichten wie die über die Deutschen im Ausland oder die Marotten der Vegetarier sorgen in diesem Lesebuch für eine abwechslungsreiche politische und unterhaltsame Lektüre. Die beiden Herausgeber Markus Liske und Manja Präkels haben mit ihrer Band „Der singende Tresen“ übrigens auch ein Album mit Texten des Dichters aufgenommen, das den passenden Titel „Mühsam Blues“ trägt. Bitte beachten Sie auch die anderen Publikationen Mühsams im Verbrecher Verlag wie z.B. seine Tagebücher und Briefe.
Erich Mühsam
Das seid ihr Hunde wert! Ein Lesebuch
Herausgegeben von Manja Präkels und Markus Liske http://www.verbrecherverlag.de/author/detail/150
Broschur, 352 Seiten
Preis: 16,00 €
ISBN: 9783943167849
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-06-17)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.