Kanada in den 1940ern. Der Kriegsheimkehrer Edwin Boyd (S.Speedman) arbeitet als Buschauffeur und träumt von einer Schauspielkarriere. Als er einem Rollstuhlfahrer beim Einsteigen in den Bus hilft, ist er über die Gleichgültigkeit der Insassen seines Buses so enttäuscht, dass er kurzerhand das Handtuch schmeißt. Für diese Leute hat er nicht im Krieg gekämpft und sein Leben riskiert und für diese Leute will er auch nicht mehr den Chauffeur machen. Aber Boyd hat zwei Kinder und eine Frau und die wollen ernährt werden. Seine Frau Doreen (Kelly Reilly) arbeitet ebenfalls hart, aber als Boyd als Citizen Gangster beginnt, Banken zu überfallen, kauft er ihr ein Auto und meint, sie müsse nun nicht mehr arbeiten gehen. Endlich sind die beiden glücklich, haben mehr Zeit für sich und die Kinder und Doreen darf nur eines nicht: ihn nach seiner Schauspielrolle fragen. Lohengrin lässt grüßen! Alles gut unter der Schneedecke
„Citizen Gangster“ ist mehr als nur ein Gangsterfilm über einen Gentleman-Bankräuber und seine spätere (Boyd-)Gang. Es ist vor allem auch ein Film über Beziehungen zwischen Mann und Frau, die anhand zärtlicher und auch brutaler Einstellungen und teilweise sehr melancholischer Bilder gezeigt wird. Oft schneit es und die Kamera fängt zauberhafte Bilder ein, die einen an eine bessere Welt erinnern, alles in weißen Zauber gehüllt, alles gut unter der Schneedecke? Amerika und auch Kanada hatten den Krieg zwar gewonnen, aber es wurde nicht automatisch alles besser. Die Friedensdividende ließ auf sich warten und so überlebten nur die Kreativsten. Edwin Alonzo Boyd findet mit ein bisschen Schminke seiner Frau einen Weg, beides zu verwirklichen: Geld und Schauspielerei. Als „Citizen Gangster“ überfällt er Banken wie ein Gentleman, flirtet mit den Kassiererinnen und benutzt niemals eine Waffe, nur als Drohgebärde fuchtelt er mit einer alten Automatik herum. Aber Boyd schlägt niemanden und bleibt immer charmant, bis er eines Tages doch von der Polizei gestellt wird. Gefängnis: Schule der Verbrecher
Im Gefängnis geht aber seine Karriere als Bankräuber erst richtig los. Mit den Jacksonbrüdern (Kevin Durand als Lenny Jackson und Brendan Fletcher als Willie „The Clown“ Jackson) einer davon ist ebenfalls ein Kriegsveteran und hat sein Bein verloren, gelingt Boyd die Flucht aus dem Gefängnis und vor dem Gefängnis wartet Val Kozak (Joseph Cross) im Fluchtauto. Schon in dieser Szene wird klar, dass auf Val kein Verlass ist, denn er macht mit einer blonden Frau rum kurz bevor er die drei Flüchtenden abholt und in Sicherheit bringt. Die vier, nunmehr die „Boyd-Bande“ – trotz den zwei Jacksons – überfallen gemeinsam mehrere Banden und verprassen das Geld mit ihren Freundinnen. Allerdings bringen genau diese sie auch zu Fall. Nachdem nämlich Mary, die Freundin von Val Kozak, von ihm verlassen wird, rächt sie sich mit Verrat. Detective Rhys (William Mapother) nimmt die Fährte auf und kommt auch an Boyds Vater ran, doch dann wird er von Val und Lenny abgeknallt. Die nunmehrigen Polizistenmörder entfesseln eine Hetzjagd, an deren Ende sie an einem Strick baumeln werden. Eine wahre Geschichte
Edwin hingegen wird nach vierzehn Jahren entlassen und besucht seine Frau Doreen im Hause ihres neuen Ehemannes. Jetzt erst weiß er, was er alles verloren hat und dass niemand mehr die Zeit zurückdrehen kann. Im Abspann wird dann noch erzählt, dass Boyd an die Westküste umgesiedelt wurde, wo er unter Pseudonym wieder als Busfahrer und Betreuer für Behinderte arbeitete und dafür sogar als „Mitarbeiter des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Morlando, der bis „Citizen Gangster“ eigentlich nur Kurzfilme gedreht hatte, liefert ein beeindruckendes, einfühlsames Regiedebut ab, das auch die Kritiker begeisterte. Ein Film so wahrhaftig und authentisch, wie nur das Leben ihn schreiben konnte.
Nathan Morlando
Citizen Gangster
(Originaltitel: Edwin Boyd)
2011) Blu-ray 105 Minuten
Mit Scott Speedman, Kelly Reilly, Kevin Durand, Joseph Cross
Music byMax Richter
Koch Media Home Entertainment
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-09-24)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.