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Lisa Moos - Männer-Roulette
Buchinformation
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Moos, Lisa:
Männer-Roulette

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(Bücher frei Haus)

„Nun war ich gescheitert.”

Ein Satz der Lisa Moos. Gegen ein endgültiges Scheitern allerdings spricht der Fakt, dass wir gerade am Anfang des neuen Buches sind. Vor uns 265 Seiten des bekannten Themas, darum schauen wir mit einer gewissen Erwartungshaltung rein, nicht ahnend, ob Glück oder Fluch ihre Wege kreuzen werden.

Nach ihrem Debüt “Das erste Mal und immer wieder” legt Lisa Moos das zweite Buch vor: Männer-Roulette. Wir erinnern uns: Sie war jahrelang Prostituierte und jetzt gewillt den Ausstieg zu wagen. Hoffnungsvoll lauteten ihre Worte: “So lange bis die wahre große Liebe mich vielleicht doch noch findet. Wer weiß es, ob sie nicht schon auf dem Weg zu mir ist?”

Das erste Kapitel raubt gleich irgendwelche Illusionen: “Abschied von Josch”, die Trennung, die nächste verlorene Beziehung, was den Leser darauf vorbereitet, dass es keineswegs einfach ist eine Hurenkarriere mal schnell hinter sich zu lassen. Statt in ein Loch zu fallen, schreibt Lisa einen sehr langen Brief an Josch, der ihr komplettes bisheriges Leben beinhaltet. Erstaunt stellt sie nach Wochen fest, dass es 300 Seiten geworden sind.
“Mach ein Buch daraus”, rät Josch. Zwar wendet sich Lisa Moos an verschiedene Literaturagenten und Thomas Schlück zeigt sofort Interesse, aber ehe der Gedanke realisiert werden kann, gilt es den Alltag zu meistern.
Wie steigt eine Prostituierte ohne dem nötigen Kleingeld aus, das erst verdient werden muss? Sie sucht ein neues Betätigungsfeld und findet eine Firma, die Sexseiten im Internet veröffentlicht. Was optimistisch beginnt, endet mit der Kündigung - vor den Schranken jener scheinheiligen Moral: Selbst eine Ex-Hure bleibt eine Nutte.

Weil Lisa Moos kein Mauerblümchen ist und Sex wie fast jeder Mensch beansprucht, hofft sie außerdem ständig, den Traummann zu finden. Traummänner sind entweder von allem Ornament entschlackt, frei von Geschwätzigkeit, oder vertrauen auf die Kraft weniger, einfacher Bilder, nämlich ihrem hübschen Gesicht und dem jungen, samtenen, muskulösen Körper. Sie hinterlassen eine Spur - manche intensiv, andere kurz und flüchtig, wie der Bankdirektor Santiago: “Lisa, was möchtest du zum Frühstück?”
“Alles, nur keinen weiteren Fick mit dir.”

Man könnte fragen, warum sich Lisa Moos dem Bauarbeiter Juan - zugleich Verlobter ihrer Freundin Maria - für ein niederträchtiges Bumsen zwischen Flur und Wohnung hingibt. Denn der Mann ist nicht gerade das passende Pendant, versteht kein Deutsch, ganz wenig Englisch und hat einen Schwanz “so groß wie die kleinste Batterie meines Vibrators”. Zahnlücke, dick. Doch er kocht gut, umschwärmt sie, liebt und hält sie inmitten der dauernden Umbrüche.

Homogenität ist Fiktion. Harmonie ein Trugbild. Immer ist etwas beschädigt. Oder schädigend. Oder beides. Und was auf die eine Art und Weise funktioniert, schlägt von einem anderen Standpunkt aus gesehen vielleicht fehl. Lisa Moos “Auf Männerfang” im Internet. Nach der Auswahl blieben von 50 Typen drei übrig: Marc, 35, der Dünne, ein juveniles Bildnis; Rüdiger, der sich die 10 Gebote auf die Brust tätowieren lassen hatte; Markus, ohne Auto, Führerschein versoffen und der Job hing am seidenen Faden.
Drei Reinfälle. Ihr Glaube an die wahre große Liebe wird arg strapaziert.

Dann Gaspar der Gauner, bei dem Lisa Arbeit gefunden hatte, ein toller Mann von dem sie annahm, er machte internationale und gute Geschäfte. Geld sprudelte aus unbekannten Quellen und versickerte wieder und sie ließ sich vertrösten, dass ihr magerer Lohn erst nächsten oder übernächsten Monat bezahlt wurde, trotz 10-12-14-stündiger Arbeitszeit. Gaspar war eine blendende Erscheinung und als Liebhaber miserabel, doch das lag nicht an ihr, wie sie später herausfand, es lag daran, dass er weitere 11 Freundinnen hatte, die seine Libido beanspruchten.
Kein Aufatmen im Leben dieser Frau, die aus noblen Penthouse-Wohnungen in Wohnklos bis hin zur Untermiete ziehen muss, weil wieder ein Job an den Widrigkeiten zerbricht, sich Rechnungen und Mahnungen türmen. Erneut die Unheil kündende Worte am Ende eines Kaptitels, und dann passiert das, was man überhaupt nicht erwartet, Lisa Moos wird schwanger, Juan ist der Vater – und Abtreibung die einzige Alternative.

“Endlich Karriere?” Mit einem neuen Job in der Tasche genehmigt uns die Autorin den Trugschluss. Doch dermaßen geschlagen von ihrem ersten Buch wissen wir, dass hier kein Happyend kommt. Obwohl es Lisa bis zur Geschäftsführerin der mallorquinischen Internetfirma bringt, weil sie erwartungsgemäß handelt und arbeitet, also devot funktioniert, verschlechtert sich die Beziehung zu ihrem Chef Ralf in dem Maße, wie der Erfolg ausbleibt. Das Geld fließt von der Mutterfirma aus Deutschland - dort hart erarbeitet - nach Mallorca, wo es in Prunk und “dicke Titten” investiert wird, bzw. mit vollen Händen verprasst. Lisa ist nur noch Ralfs Zuträgerin: „Kennst du nicht `ne scharfe Braut von früher, die du mir mal vorstellen kannst?”
Letztendlich kündigte sie ihren Job, angewidert von der Hörigkeit und dieser großen verlogenen Firmenphilosophie, dieser “Familie”, die jedem/jeder hinterher spionierte wenn es der Boss so wollte, denn alle hatten ihm irgendetwas zu verdanken: Arbeit, Wohnung, Lohnerhöhung, ein neues Auto; Hörigkeit als Prinzip.

Die beständige Konstante bildet Sohn Christoph, der weiß was sie getan hat, der sie ermuntert, liebevoll belehrt und vor allen Dingen, der all die Zeit zu ihr steht. Aber wie geht es dem ersten Kind, Steffen, den sie damals zur Adoption gab? Neben dem Ausstieg aus der Prostitution nagt ein weiteres Problem an ihr, das von vielen Seiten mehrfach aufgeworfen wird. Muttergefühle verschwinden auch nicht im Chaos der eigenen Existenz. Folglich wagt Lisa den Schritt und stellt den Kontakt zu Steffen her, der 15 Jahre scheinbar behütet verbracht hatte. Jugendamt, Adoptiveltern, ein Antasten. Telefonate, vorsichtige Briefe, dann die Billigung den Sohn über ein Wochenende sehen zu können. Dieser Besuch bleibt der Einzige, denn eine Verkettung von Missverständnissen beendet alles. Lisa Moos verliert ihren ersten Sohn ein zweites Mal.
Gottlob reißen nicht alle Stricke alter Bekanntschaften nach Deutschland ab: ihr Noch-Ehemann Stefan, ihr Bruder, und beide werden im Laufe der Jahre zu Freunden, überweisen Geld wenn es der Frau und Schwester mal wieder finanziell dreckig geht.
Zurück ins Milieu? Aufgeben und an einem Tag mehr verdienen als in einer Woche? Das kommt für Lisa Moos nicht in Frage.

Hoffnung, dieser Begriff ist noch immer eine Chiffre für den Versuch der denkbar radikalsten Lösung, Freiheit ist bezahlbar, Glück dagegen reiner Zufall. Die Autorin glaubt daran im Namen einer gerechteren Gesellschaftsordnung und der herrschenden sozialen Verhältnisse Fuß zu fassen. Denn da sind ein paar gute Seiten, nämlich die von Lisa Moos geschriebenen, das Buch, das veröffentlicht werden soll. Der Lit-Agent Thomas Schlück hat den Verlag Schwarzkopf&Schwarzkopf begeistert. Eine Buchparty steht bevor, die Premiere der „autobiographischen Schilderung einer Prostituierten“. Weiterhin der komplette Rummel des Erfolges: Interviews, Zeitungen, Fernsehen.
Eigenartig, anstatt durch Angstattacken eine Lesung platzen zu lassen, ist Lisa Moos auf der Bühne ruhig und abgeklärt - sitzen doch ihre Freunde ziemlich vorne.
Nach dem grandiosen Debüt, der ersten und zweiten Lesereise quer durch Deutschland und wieder Zuhause, trifft die Frau ausgerechnet im “Oberbayern” auf einen Mann ... Paul.
Goutieren Sie ruhig die Kapitel “Endlich Paul, Pauls Freunde” und “Lesereise”, lassen Sie sich fallen in das Buch und das Leben der Lisa Moos, Ex-Hure unter dem Sonnensegel Mallorcas, denn wie klingt Rolf Dieter Brinkmanns Zitat:
Wo ist, frage ich, das Fenster, das nach Süden offen ist?

Lisa Moos
Männer-Roulette
Ein Leben nach der Prostitution
Verlag Schwarzkopf&Schwarzkopf
ISBN - 10: 3-89602-689-5
ISBN - 13: 978-3-89602-689-7

1. Auflage November 2006

[*] Diese Rezension schrieb: Hartmuth Malorny (2006-12-22)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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