Ihr letzter Roman „Und wieder Februar“ war ein bewegendes Buch, mit einer dichten und sinnlichen Sprache geschrieben, das seinen Leser fesselte und berührte von der ersten bis zur letzten Seite. Seine Botschaft war damals: irgendwann kann sich Trauer in neue Liebe und neues Glück verwandeln, ohne dass man dem verlorenen Menschen untreu wird.
Die Rede ist von der 1964 in St. John in Neufundland geborenen und dort auch lebenden Schriftstellerin Lisa Moore, die ihre Leser auch im neuen, für den kanadischen Literaturpreis Giller Prize nominierten Roman „Der leichteste Fehler“ wieder in die raue Welt Neufundlands führt.
Der Roman spielt 1978 und beginnt damit, dass David Slaney aus dem Gefängnis flieht. Dort war er vier Jahre zuvor eingefahren, weil er zusammen mit seinem Freund Hearn ertappt worden war, eine Schiffsladung voll Marihuana auf einem Segelboot von Kolumbien nach Neufundland zu bringen.
Während Hearn, der aus sozial besseren Verhältnissen stammt als Slaney, wegen Verfahrensfehlern an einer Strafe vorbeischrammt und seine Ausbildung fortsetzen kann, muss Slaney ins Gefängnis. Vier lange Jahre. Während dieser Zeit plant Hearn einen neuen Coup und organisiert Slaneys Flucht. Im Gegensatz zum Leser, der von Lisa Moore schon sehr früh davon in Kenntnis gesetzt wird, ahnt Slaney sehr lange nicht, dass seine ganze Flucht und die gesamte neue Reise von der Polizei beobachtet wird, teilweise die völlig neue Satellitentechnik nutzend
Schon sehr früh, als Moore den Polizisten Patterson einführt, neben Slaney die vielleicht wichtigste Figur in diesem an verschiedenen Charakteren reichen Buch, mit wenigen, aber starken Worten voller kräftiger Bilder, knüpft sie an die wunderbare Sprachkraft ihres letzten Buches nahtlos an und bleibt ihr bis zum Ende treu. Sie lotet die Charaktere ihrer Personen bis in eine Tiefe aus, die ihnen selbst kaum bewusst ist. Sie beschreibt deren Beziehungen, es geht um Vertrauen und Verrat. Aber auch um Liebe und Freundschaft, Freiheit und Abenteuer. Letztlich darum, welchen Sinn das Leben der einzelnen Hauptpersonen für diese selbst hat.
Krumme Lebenswege sind das, voller unerfüllter Hoffnungen und Scheitern. Lebenswege voller Tragik und Komik. Lisa Moore lässt sowohl die „Räuber“ als auch die „Gendarmen“ in einem Wechselspiel aus Gefahr und Verheißung sich auf die Suche nach der Freiheit machen und nach der einen Entscheidung, die alles verändern kann.
Eine spannende Geschichte, ein romantischer Roadtrip, bei dem es auch um die großen Fragen des Lebens geht: Liebe, Vertrauen, Freundschaft, Scheitern, Angst.
Lisa Moore, Der leichteste Fehler, Hanser 2015, ISBN 978-3-446-24723-9
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-04-28)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.