Es war 1988 im Frühjahr. Als evangelischer Pfarrer war ich zu einem Taufgespräch bei einer jungen Familie zu Gast. Das Gespräch verlief angenehm, der Vater des Kindes erzählte von seiner Arbeit auf der Bohrinsel Piper Alpha in de Nordsee. Nur wenige Wochen später war der Mann tot, seine Frau zur Witwe geworden und ein Baby zum Halbwaisen, das seinen Vater quasi nie gesehen hatte. Am 6. Juli 1988 brach auf der Piper Alpha ein Brand aus, und die Bohrinsel sank. Mit 167 Todesopfern war es der schwerste Unfall auf einer Bohrinsel. Und das Schlimmste für die Trauernden: es gab keine sterblichen Überreste. Der Mann konnte also nicht ordentlich bestattet werden. Für die Frau ein jahrelanges schmerzhaftes Problem.
An diese mir damals liebgewordenen Menschen musste ich denken, als ich das vorliegende Buch zu lesen begann. Denn es erzählt eine ähnliche Geschichte:
"Die Ocean Ranger begann am Valentinstag 1982 zu sinken, und am nächsten Tag bei Morgengrauen war sie untergegangen. Die gesamte Besatzung kam ums Leben. Helen war damals dreißig, Cal einunddreißig. Es dauerte drei Tage, bis feststand, dass niemand überlebt hatte. Drei Tage hofften die Menschen. Manche jedenfalls. Helen nicht. Sie wusste, dass die Männer tot waren, und es war ungerecht, dass sie es wusste. Sie hätte diese drei Tage auch gern gehabt. Heute erzählen die Leute, wie schwer es war, nicht Bescheid zu wissen. Helen hätte gern nicht Bescheid gewusst."
Als vor der kanadischen Provinz Neufundland 84 Menschen den Tod finden, darunter auch ihr Mann Cal, ist Helen von ihm schwanger. Vier Kinder muss sie nun allein aufziehen und mit ihrer Trauer und ihrem Schmerz leben. Nach außen gelingt ihr das hervorragend und alle bewundern sie auch dafür, doch in ihr drinnen sieht es anders aus. Die Trauer und der Schmerz zerreißen sie fast, haben aus ihr eine gebrochene Frau gemacht.
In einem geschickten Wechsel der Zeitebenen mit zahlreichen Rückblenden versetzt Lisa Moore ihre Leser in die Lage, über 25 Jahre lang die Geschichte von Helen und ihren Kindern zu verfolgen. Dabei weiß man schon bald, dass sich im Jahr 2008 eine entscheidende Wende im Leben von Helen abzeichnet. Vor allem in ihrem Innenleben. Denn als ihr ältester Sohn ihr erzählt, dass er mit einer Frau, mit der er fernab der Heimat auf einer Geschäftsreise ein kurze Affäre hatte, ein Kind von ihm erwartet, da ändert sich innerhalb kürzester Zeit das Leben von allen. John, Helens Sohn, lässt sich auch auf den Rat seiner Mutter auf Jane ein und auch Helen kann einem neuen Mann, der in ihr Leben getreten ist. gegenüber menschliche Nähe zeigen. Und ganz neue Möglichkeit eröffnen sich für alle, wieder neues Glück zu erleben.
Doch ihren geliebten Cal, das wird am Ende klar, kann und wird Helen niemals vergessen.
"Und wieder Februar" ist ein bewegendes Buch, mit einer dichten und sinnlichen Sprache geschrieben, das seinen Leser fesselt und berührt von der ersten bis zur letzten Seite. Seine Botschaft: irgendwann kann sich Trauer in neue Liebe und neues Glück verwandeln, ohne dass man dem verlorenen Menschen untreu wird.
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-04-20)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.