70 Jahre jung und schon hat der Tausendsassa Felix Mitterer seine Autobiographie geschrieben, die er bescheiden "Mein Lebenslauf" nennt. Bemerkenswert für einen Mann seiner Generation ist, dass er, nachdem er seine eigene Kindheitsgeschichte erzählt, zu der seiner geliebten Frau Chryseldis wechselt und auch ihr Leben „mitbiographisiert“, obwohl die beiden seit 2005 getrennt leben. Finde ich toll, wenn ein Mann seines Alters so etwas macht! Aber die Frauen spielten eben immer schon eine große Rolle in seinem Leben, das wird auch klar, wenn er den ersten Satz seiner Autobiographie mit „Meine Mutter...“ beginnt. Denn eigentlich war sie gar nicht seine Mutter, seine Mutter. Geboren als dreizehntes Kind einer Kleinbäuerin, wird der kleine Felix nämlich von seiner leiblichen Familie an die beste Freundin seiner Mutter „verschenkt“: Die eine hat schon genügend Kinder, die andere kann keine bekommen – ein guter Deal.
Schöpfer der Piefke-Saga u.v.a.m.
Ehrlich und tabulos und ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen erzählt Felix Mitterer von seiner Kindheit, Jugend und den ersten Theatererfolgen mit „Kein Platz für Idioten“, bei dem er noch selbst als Behinderter spielte. Auch damit war er einer der ersten, der sich einem Randthema widmete, den Ausgestoßenen, Außenseitern, den sozial Randständigen, den sog. „Behinderten“. „Wir sind nicht behindert, wir werden behindert“ hieß nicht umsonst ein Sponti-Spruch aus jener Zeit, in der Mitterer aufwuchs und der er so viel zu verdanken hatte: die Siebziger. Als Kind der 68er (Jahrgang 1948) profitierte Mitterer vom Wirtschaftsaufschwung und dem damit verbundenen Wiederaufleben der kulturellen Landschaften: das Theater, der Film, die Literatur. Viele Familienfotos zeigen ein beschauliches und wohl auch armes Leben in Kirchberg und später Innsbruck und Wien. Aber schon als Kind beschaffte er sich heimlich Lesematerial, was damals als sehr schädigend empfunden wurde. Amüsant sind seine Anekdoten über den „Bluathand Joe“ oder seine Lehrer und später die Kollegen beim Zoll: als er als Künstler geoutet wird, ist plötzlich auch sein Zuspätkommen und alles andere auch legitimiert. „Ahhh, a Künstla is a’. Na des erklärt oilles.“ So oder so ähnlich dachte man damals.
Ein österreichisches Leben nach dem Krieg
1990 arbeitete Mitterer auch an einem Projekt, das heute mehr als abstrus erscheint. Sein im Buch abgedrucktes Tagebuch über das Munde-Projekt gibt Aufschlüsse über sein Theaterprojekt auf 2.592 Metern Höhe. Aber natürlich erfährt man auch viel über
Mitterers Stücke und Drehbücher, die sämtlich im Haymon Verlag, einzeln sowie gesammelt in bisher fünf Bänden, erschienen sind. Darunter u.a. auch über seinen größten Erfolg, die TV-Serie „Piefke-Saga“ sowie die Stücke „Kein Platz für Idioten“, „Stigma“, „Sibirien“ oder zuletzt „Jägerstätter“, die verschiedentlich Aufsehen erregten oder für Skandale sorgten. Zu seinem 70. Geburtstag im Februar 2018 erzählt Mitterer seine Autobiographie „Mein Lebenslauf“ mit vielen Fotos und launischem Humor. Ungewöhnlich sei sein Leben nicht gewesen, nur die Tatsache, dass er Schriftsteller wurde, die habe ihn gerettet. Man kann deswegen also durchaus hoffen, noch mehr von ihm zu hören.
Felix Mitterer
Mein Lebenslauf.
Vorwort von Verleger Michael Forcher
528 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-7099-3425-8
Haymon Verlag
EUR 29,90
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2018-07-10)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.