Der Roman "Schimpfen" ist ein Spiel, bei dem künstlerische Positionen befragt werden. Die Figuren begreifen, dass für sie die Auseinandersetzung mit dem, was wir Kunst nennen, stets über das Bildermachen hinausgeht; ja das Bemühen um eine Lebenshaltung ist, die auch im Erleben des Lebens Erkenntnisse und Erfahrungen sammelt. dies fließt in die Praxis der Kunst ein und zeigt sich in diesem Erzählstück als Gespräch unter alten Freunden. Aus dem Zwiegespräch der Protagonisten wird der Dialog mit dem Leser.
Selbstredend: das Leben ist der Kunst immer voraus und stellt sie allenfalls in seine Dienste. In einer mittlerweile 20-jährigen Kunst-Tätigkeit hat der Künstler Meinen die Kontakte zum Kunstmarkt zumeist vernachlässigt; weniger aus einem konzeptionellen Gedanken heraus, sondern mehr aus Desinteresse. Zuweilen drängt sich ihm daher der Gedanke auf, wie sehr es denn mit seinem Interesse um die Kunst bestimmt sein muss... drängt sie doch stets auf Entäußerung, wenn sie geäußert wurde. So hat er sich stets mit seinen Möglichkeiten beschieden und die Zeit und der Kunstmarkt sind ihm in unerreichbare Fernen davongelaufen. Es gilt auch für ihn, sein Tun mit der Kunst auf neue Wege zu bringen, die das Bewusstsein des Scheiterns in einen lebenswerten Gewinn umformen. Dies ist keineswegs ein trauriger Abgesang angesichts der immer weiter um sich greifenden Weltverdrossenheit in der Nähe eines Jahrtausendwechsels.
Sowohl als bildender Künstler, wie auch als Autor ist Peter Meilchen ein Beobachtungsvirtuose, der viele Preziosen zu bieten hat, Wahrnehmungen, die vielleicht nicht unbedingt lebenswichtig sind, aber gerade in ihrer Fokussierung des Nebensächlichen dem Betrachter und dem Leser Aha–Erlebnisse und Wiedererkennungseffekte verschaffen.
Reich an Adjektiven, an Partizipien und an sich windenden, immer in neue Ecken spähenden Sätzen sind diese ausgefeilten Arbeiten. Vor allem Farbeindrücke nehmen darin breiten Raum ein. Zwischen Schwarz und Grün bewegt sich seine Beobachtung eines Unsichtbaren. Die Rückkehr ins Rheinland steht bei Schimpfen im Zeichen von Gelbtönen, die schnell vom Satt–Schönen ins Erdige umschlagen.
Wenn Meilchen flanierte, begegnete ihm ein Übermaß an Welt. Das mußte er bewältigen – mit Sprache, mit Sätzen und Satzfragmenten, in denen die Welt weiter mäandert, vibriert und manchmal auch herausbrüllt. Er porträtierte in seinem Werk eine untergehende Welt – und überwand sie. Opulenz, Würde und Gesellschaftsanalyse verband er wie kein anderer. Meilchen hat der deutschsprachigen Literatur mit Schimpfen etwas gegeben, was sie bitter nötig hat: Sanftheit, Poesie, Selbstironie; Leichtigkeit und Understatement.
Sollten wir Romantik als Autonomie des Imaginären verstehen, dann handelt es sich bei Schimpfen durchaus um eine romantischen Prosa, die sich aus der Spannung zwischen Realität und Imagination, Besitzen und Begehren ergibt. Es ist ein Text ohne Gedächtnis, allein von Erinnerungen an Bilder, Gerüche, Gefühle getragen und auf der Suche nach einer zu erzählenden Geschichte. Wer von seinem Leben erzählt, erzählt immer eine Erfolgsgeschichte. Wer erzählt, lebt.
Peter Meilchens Biografie endet nicht mit dem Tod, er lebt weiter – durch sein Werk.
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Schimpfen, von Peter Meilchen, Edition Das Labor, Linz, Neheim, Mülheim an der Ruhr 2013
[*] Diese Rezension schrieb: Matthias Hagedorn (2013-05-05)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.