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Cormac McCarthy - Kein Land für alte Männer
Buchinformation
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McCarthy, Cormac:
Kein Land für alte
Männer

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(Bücher frei Haus)

Cormac McCarthy: No Country for Old Men

Der Roman des 75jährigen Cormac McCarthy, der erst in den letzten Jahren im Deutschsprachigen Raum Beachtung fand, spielt im Hier und Heute in Texas, erschien im Jahr 2005 erstmals in den USA und 2008 in Deutschland. Das Buch kam der Verfilmung der Coen Brüder nach und war bereits mit Erfolg in den Kinos.
Die Handlung ist schnell erzählt: Ein Hobbyjäger findet in der texanischen Weite eine Ansammlung zerschossener Pickups, in und um die herum Leichen liegen. Auf der Ladefläche eines Pickups liegt ein großes Paket Heroin. Etwas weiter vom Ort der Handlung spürt er noch den Leichnam eines Mannes auf, der einen Koffer mit mehreren Millionen Dollar im Schoß hat. Der Mann nimmt das Geld an sich, fährt nach Hause, schickt seine junge Frau fort zu ihrer Mutter, kehrt noch einmal zurück an den Ort des Geschehens, wird dort schon erwartet, kann aber wieder entkommen und flieht mit dem Geld. Nun wird er von einem gnadenlosen Killer verfolgt, der sein Handwerk in erster Linie mit einer Pressluftflasche und einem Bolzen, mit dem sonst Rinder und Schweine getötet werden, ausübt. Gleichzeitig ist der alte Sheriff aus dem County auf den Fall aufmerksam geworden, ahnt, was dem ansonsten unbescholtenen Finder blüht und versucht, zu retten, was gar nicht mehr zu retten ist. Der Killer zieht eine Blutspur hinter sich her, und legt allerlei Leute um, zuletzt nicht nur den Finder, sondern sogar dessen junge Frau, selbst als er den Finder schon erlegt und das Geld zurück hat. Gefunden wird der Auftragsmörder nicht, irgendwo, so heißt es, schwirrt er herum wie ein Geist.

Was sich wie die Regieanweisung zu einem Action Thriller liest, enthält jedoch noch zwei andere Dimensionen, die nicht zu dem Genre passen und die aus der sparsamen Inszenierung komplexe Literatur werden lässt. Zum einen ist mit der Figur des alternden Sheriffs Bell eine kulturkritische Reflexion präsent, die nicht nur das eigene Handeln, sondern auch die unabhängig vom Individuum fortschreitende gesellschaftliche Entwicklung zu erklären sucht. Der ansonsten erfolgreiche und erfahrene Sheriff, versehen mit einer Auszeichnung aus dem II. Weltkrieg, ist sich bewusst, dass er mit seinem Handeln den Fortschritt in eine Verrohung und Entzivilisierung nicht aufhalten kann. In seinen zahlreichen inneren Monologen sieht er die Bringschuld der Individuen und ihre Mitverantwortung an der Erosion sozialer Güte vor allem in der freiwilligen Preisgabe zivilisierter Verkehrsformen. Einer Journalistin, die ihn befragt, warum die Drogendelikte in seinem Verantwortungsbereich so in die Höhe gegangen seien, antwortet er: „ Es fängt damit an, (…), dass man schlechte Manieren übersieht. Jedes Mal, wenn Sie kein Sir und kein Ma ´am mehr hören, ist das Ende so ziemlich in Sicht. Das reicht in alle Schichten hinein, (…). Und irgendwann geht die kaufmännische Moral derart vor die Hunde, dass draußen in der Wüste Leute tot in ihren Fahrzeugen sitzen, aber dann ist es zu spät.“

Sheriff Bell sieht sich in einer Position des Beobachters, der den aktiven Fortgang der Handlung, obwohl selbst zutiefst in diese involviert, nicht mehr beeinflussen kann. Er versucht, den Sittenkomplex, für den er steht, noch zu leben und in das Geschehen einzubringen, ist aber zum Scheitern verurteilt. Er beschreibt die eigentlich richtig alten Leute, die mit ihren irren Blicken die Welt so gar nicht mehr verstehen können. „Diese alten Leute, mit denen ich rede, wenn man denen hätte sagen können, dass es auf den Straßen unserer texanischen Städte mal Leute mit grünem Haar und Knochen in der Nase geben würde, die eine Sprache sprechen, die man gar nicht versteht, tja, dann hätten sie einem schlicht und einfach nicht geglaubt. Aber wenn man ihnen nun erzählt hätte, dass das ihre eigenen Enkel sind?“

Die zweite Dimension, die diesen Roman von der Beschränkung auf ein duales Erzählschema unterscheidet, ist die epische Qualität, die es bewerkstelligt, dass die Komplexität der Frage von Zivilisation und deren Erosion nicht einfach beantwortet werden kann. McCarthy gelingt es, deutlich zu machen, dass das Individuum den Kampf um seine von ihm erstrebten Werte ein Leben lang führen muss, auch wenn ihm die Vergeblichkeit bewusst ist und es keine Gewinner gibt.

[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2009-06-20)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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