Die Karriere des Münchener Erzbischofs Reinhard Marx ist steil. bislang aber von keinen Irritationen a la Mixa oder Tebartz van Elst überschattet. Ganz im Gegenteil. Seit 2008 ist er Erzbischof von München. 2010 wurde er zum Kardinal ernannt und 2013 nach der Wahl von Franziskus I. von diesem in eine achtköpfige Kardinalsgruppe zur Beratung des Papstes bei der Leitung der Weltkirche berufen.
Schon in früheren Publikationen dieses aufgeklärten und eher zurückhaltenden Kirchenmannes wurde deutlich, dass der Gedanke der Freiheit und die Vereinbarkeit von Glauben und Vernunft im religiösen Denken von Reinhard Marx eine zentrale Rolle spielt.
So nimmt es auch nicht wunder, dass er in der hier vorliegenden, für jedermann absolut verständlichen kleinen Schrift mit dem Titel „glaube!“ den Philosophen Jürgen Habermas, der schon mit Josef Ratzinger über diese Fragen diskutiert hatte, aus dessen Buch „Zwischen Naturalismus und Religion“ zustimmend und dann weiterführend zitiert:
„Religiöse Überlieferungen leisten bis heute die Artikulation eines Bewusstseins von dem, was fehlt. Sie halten die Sensibilität für Versagtes wach. Sie bewahren die Dimensionen unseres gesellschaftlichen und persönlichen Zusammenlebens, in denen noch die Fortschritte der kulturellen und gesellschaftlichen Rationalisierung abgründige Zerstörungen angerichtet haben, vor dem Vergessen. Warum sollten sie nicht immer noch verschlüsselte semantische Potentiale enthalten, die, wenn sie nur in begründende Rede verwandelt und ihres profanen Wahrheitsgehaltes entbunden würden, eine inspirierende Kraft entfalten können?“
In einer sehr persönlichen Weise lädt Reinhard Marx seine Leser in dieser Schrift ein, sich auf den Glauben einzulassen, gerade indem er seinen Unglauben, seine Zweifel und seine Bedanken zulässt. Marx zeigt, dass schon bei den Jüngern Jesu der Unglaube ein zentrales Element ihres Glaubens war. Deswegen aber, oder wie ich hinzufügen möchte, wegen des Skandals um einen einzelnen narzisstisch gestörten Bischofs, ganz vom Glauben zu lassen, entfernt mich von einer großen Kraft und spirituellen Quelle. Ohne die mein Leben weniger reich, weniger wertvoll und weniger erfüllt wäre.
Reinhard Marx, glaube, Kösel 2013, ISBN 978-3-466-37084-9
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-10-27)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.