Als im Jahr 2007 Hanni Marti-Morgenthaler verstarb, über lange Jahrzehnte Kurt Martis treue Gefährtin und Ehefrau, da war das Laben des Schweizer Pfarrers und Schriftstellers Kurt Marti über Nacht ein anderes geworden.
In der ersten Abteilung der hier in zweiter Auflage vorliegenden „Spätsätze“ von ihm, hat er unter der Überschrift „Untauglicher Witwer“ darüber nachgedacht:
„Die Geliebte verbürgte Wirklichkeit. Jetzt bleiben nur noch Schatten. Wirklichkeitsschatten.“
„Hoffentlich weiß sie nicht, wie unglücklich ich ohne sie bin.“
„Ich wurde geliebt, also war ich.“
Er ist in ein Heim gezogen, was er lapidar feststellt:
„Wer kein Heim mehr hat, geht in ein Heim. Was tut er dort? Wartet auf seinen Heimgang.“
Obwohl seine Aphorismen und Sätze über das Alter und das Alleinsein, das Vergänglichwerden und den nahenden Tod den Leser packen, ihn lange beschäftigen und umtreiben, haben mich doch Martis Spätsätze über den Glauben und über Gott noch mehr erfasst. Einige Beispiele sollen das zeigen:
„Vielleicht ist die Vorstellung einer Dreieinigkeit Gottes das genialste Denkbild der christlichen Theologie, dessen Potentialität noch lange nicht ausgeschöpft ist. Es wagt, Beziehungsvielfalt und Macht-Teilung in der Gottheit zu denken, so dass man in ihm auch Prinzipien wie Gewaltenteilung, Mitsprache, Mitbestimmung vorgezeichnet findet.“
„Ihm Jesus, glaube ich Gott.“
Angesichts des eigenen nahen Todes denkt er nach über Jenseitshoffnungen:
„Gott ist unser Jenseits. Das zu glauben genügt, und alles weitere bleibt ihm überlassen.“
„Auch und gerade Gott ist nicht selbstverständlich. Daran erinnern uns die Atheisten“.
83 Sätze, knapp und tief, die nachwirken. Lange nachwirken.
Kurt Marti, Heilige Vergänglichkeit. Spätsätze, Radius 2011, ISBN 978-3-87173-900-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-09-24)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.