In allen seinen bisherigen Romanen der letzten Jahre hat sich der griechische Schriftsteller Petros Markaris mit seinem Kommissar Kostas Charitos, seiner Familie und seinen Kollegen und Bekannten als ein kritischer und Chronist der griechischen Verhältnisse gezeigt. Insbesondere seine Trilogie zur Finanzkrise mit den Bänden „Faule Kredite“, „Zahltag“ und „Abrechnung“ hat seinen Landsleuten schonungslos den Spiegel vorgehalten, aber auch den Lesern in Deutschland etwa eine ganz andere Sicht der tatsächlichen Lebensverhältnisse in Griechenland unter der Krise und der Knute der EU vermittelt.
Markaris nutzt mit Kriminalromamen ein literarisches Genre, um die gesellschaftlichen und politischen Zustände und Veränderungen der griechischen Gesellschaft im Zuge der Globalisierung zu analysieren und zu beschreiben. Er unterhält nicht nur, sondern macht nachdenklich.
In seinem neuen Roman „Drei Grazien“ geht es dem Kommissar und seiner Familie ähnlich wie den meisten anderen Griechen wirtschaftlich wieder sehr viel besser als noch in den Jahren der großen Krise. Außerdem hat er durch den Rückzug seines Chefs Gikas auf das Altenteil die Chance auf eine nicht mehr für möglich gehaltene Beförderung.
Doch zunächst einmal macht er zusammen mit seiner Frau Adriani seit vielen Jahren zum ersten Mal richtig Urlaub. Sie fahren nach Epirus in ihre alte Heimat und lernen in dem Hotel, in dem sie sich einquartiert haben, drei ältere Frauen kennen, die Kostas bald die „drei Grazien“ nennt. Durchaus wohlwollend, denn Kostas und Adriani freunden sich mit den drei Frauen richtig an. Auch nach der Rückkehr nach Athen werden sie ihren Kontakt aufrechterhalten. Und wie man als aufmerksamer Leser zu Beginn schon richtig vermutet hat, werden die „drei Grazien“ im späteren Verlauf der Handlung noch eine wichtige Rolle spielen.
Denn kaum zurückgekehrt ins Athener Polizeipräsidium sieht sich Kostas nicht nur mit etlichen Personalveränderungen konfrontiert, die ihm völlig neue Chancen für seine Karriere eröffnen, sondern auch mit einem Mord an einem Minister. Dieser mit Gift getötete Minister war bis vor kurzem erfolgreicher Professor an der Athener Universität, bevor er in die Politik wechselte, natürlich ohne die Sicherheit seines Professorenamtes aufzugeben. Ein Bekennerschreiben weist auf den Umstand hin, dass durch solche Praktiken nicht nur die Studenten leiden, sondern auch andere Hochschullehrer mehr unterrichten müssen. Ich nehme an, dass dieses Phänomen nicht nur ein vom Autor erfundenes ist. Als ein weiterer ehemaliger Professor im Regierungsamt auf ähnliche Weise zu Tode kommt und erneut ein Bekennerschreiben den Missbrauch der Beamtenprivilegien anklagt, ist Kostas Charitos sehr schnell involviert in höchste Regierungskreise, die mit Argusaugen seine Ermittlungen beobachten. Da kann er nur von Glück sagen, dass der neue stellvertretende Polizeipräsident ihm wohlgesonnen ist. Noch nie hat Charitos so gut bei einem Fall mit seinem Vorgesetzten kooperieren können. Gute Voraussetzung eigentlich für seine Beförderung.
Auch der neue Roman von Markaris ist spannend erzählt, es ist schön, all den alten Bekannten wieder zu begegnen und die neue Figuren in Kostas` Team und im Präsidium lassen für die nächsten Bände wirklich frischen Wind erhoffen. Wie für das ganze Land hoffentlich.
Der Kommissar und sein Team stochern lange Zeit im Nebel herum, bis ein Versprecher in einer privaten Unterhaltung den entscheidenden Hinweis auf die dann sehr überraschende Auflösung bietet.
Mit Kostas Charitos geht es mir so wie mit etlichen anderen Serienkommissaren. Ich freue mich auf jedes neue Buch, genieße den hintergründigen Humor und die gesellschaftskritische Ironie und unterhalte mich auch wegen der außergewöhnlichen Nebenfiguren köstlich.
Petros Markaris, Drei Grazien. Ein Fall für Kostas Charitos, Diogenes 2018, ISBN 978-3-257-07041-5
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2019-02-06)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.