Zum ersten Mal seit dem deutschen Start der Krimiserie um den Athener Kommissar Kostas Charitos im Jahr 2000 hat der griechische Schriftsteller Petros Markaris einen Roman in die Zukunft verlegt. Der 2012 schon in Griechenland erschienene Roman mit dem Originaltitel „Brot, Bildung, Freiheit“ beginnt mit seiner Handlung am Tag des Jahreswechsels 2013/2014, als Griechenland, so nimmt es Markaris an, zur Drachme zurückkehrt, nachdem man aus dem Euroverbund ausgestiegen ist.
Nach wie vor dominieren Demonstrationen das Athener Stadtbild und die Mannschaft von Kostas Charitos wird dort auch eingesetzt, wobei auch zum ersten Mal seine geniale Sekretärin Koula immer wieder im Außeneinsatz dabei sein muss. Als eine dreimonatige Gehaltssperre angekündigt wird, ergreift Kostas` Frau Adriani die Initiative und kocht von nun an jeden Abend für die ganze Familie, zu der auch die Tochter Katerina und ihr Mann Fanis gehören. Nachdem ihre Pläne, für die UN in Afrika zu arbeiten gescheitert sind, widmet sie sich als Anwältin jungen Menschen, die mit Drogen in Verbindung kamen. Genauso wie übrigens eine Menge anderer junger Menschen in diesem Buch, die sich ehrenamtlich in von ihnen gegründeten sozialen Projekten engagieren. Man spürt das ganze Buch hindurch, wie diese Menschen nicht nur die Solidarität und Bewunderung des Kommissars haben, sondern auch die seines Schöpfers.
Es lohnt sich, im Land zu bleiben, die Hoffnung nicht aufzugeben, und sich zu engagieren, das ist die Botschaft eines Romans, der zum ersten Mal in der Serie mit der sogenannten Generation Polytechnikum abrechnet. Jenen Besetzern und Aktivisten, die während der Militärjunta das Polytechnikum besetzt hielten und später als linke Aufsteiger mit dem Bonus ihres Widerstandes praktisch alle relevanten Posten in der Gesellschaft Griechenlands besetzten und so den Grundstein legten für eine verhängnisvolle Entwicklung von Vetternwirtschaft und Korruption, die in der Vorbereitung der Olympischen Spiele 2004 einen ersten Höhepunkt hatte und dann zum Niedergang der griechischen Volkswirtschaft führte.
Als nacheinander drei Vertreter dieser Generation erschossen aufgefunden werden, hat nicht nur Charitos zunächst rechtsextreme Täter in Verdacht. Langsam, mit vielen Ortsterminen und sich hinziehenden Gesprächen, wie es seine gewohnte Art ist, kommt er langsam der überraschenden Lösung der drei Tötungsdelikte näher. Eine große Hilfe ist ihm ein neuer Mitarbeiter namens Papadakis, der durch ungewöhnliches und selbständiges Denken seinen Chef immer wieder überrascht.
Auch im neuen Buch verbindet Petros Markaris sehr geschickt aktuelles Zeitgeschehen in Griechenland (dieses Mal etwa ein Jahr in die Zukunft gelegt, aber sehr realistisch) mit der Aufarbeitung historischer Wurzeln aktuellen Geschehens. Dennoch dauert es dieses Mal sehr lange, bis die Handlung wirklich Fahrt aufnimmt und den Leser an das Buch fesselt.
Dennoch bleibt diese Serie im Kostas Charitos eine kritische und gleichwohl unterhaltsame Lektüre, die dem deutschen Leser über die Jahre einen Einblick gibt in das sich dramatisch verändernde soziale Leben in Griechenland und seine zum Teil selbst produzierten gesellschaftlichen und politischen Ursachen. Aber auch über vor allem junge Menschen erfährt man, die nicht aufgeben und auswandern, sondern sich engagieren für eine neue Gesellschaft, in der es wieder so etwas gibt wie Hoffnung.
Petros Markaris, Abrechnung, Diogenes 2014, ISBN 978-3-257-24303-1
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-12-30)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.