Eine frühe Bearbeitung des Themas obsessiver Fanatismus – heute nennt man es „stalking“ – liefert dieser 1951 mit dem Oscar ausgezeichnete Film um die Protatonistin, den Theaterstar Margo Channing. Keine Geringere als Bette Davis spielt die alternde um ihre Karriere besorgte Margo, die sogar ihren geliebten Bill (Gary Merrill) bezichtigt, ihr mit dem aufdringlichen Fan Eve Harrington (Anne Baxter) untreu zu sein. In einer kleinen Nebenrolle ist auch Marilyn Monroe als Claudia Caswell zu sehen, allerdings beschränkt sich ihre schauspielerische Leistung auf den Satz „Why do they all look like unhappy rabbits?“ und die Aufforderung an den Butler, den sie in ihrer Naivität als Kellner, bezeichnet, ihr einen „Drink“ zu bringen. Die Geburtstagsparty und Willkommensparty für Bill sollte eigentlich die Liebesgeschichte zwischen Margo und ihm voranbringen, aber alles was bleibt ist nur mehr blanker Zynismus. „Fasten your seat belts! It’s gonna be a bumpy night!“, kommentiert Margo selbst ihren Auftritt bei Bill’s Geburtstagsparty und schüttet sich einen Martini nach dem anderen runter, bis sie – alleine - in’s Bett fällt.
“Destiny’s Merry Pranks“
Eve erfindet sich eine neue Lebensgeschichte und schmeichelt sich bei Margo ein, bis sie von ihr als Mädchen für alles eingestellt wird. Aber die vermeintlich naive, schüchterne und bescheidene Eve, das „einfache Mädchen von der Straße“, entwickelt sich bald zu einem richtigen Vamp, die vor nichts zurückschreckt. Dabei benutzt sie natürlich auch weidlich die vielzitierten Waffen einer Frau, doch bei Bill beißt sie auf Granit. Er kontert ihre zudringlichen Annäherungsversuche mit dem legendären Satz: „Only thing: what I wanto to go after I awant to go after. I don’t want it to come after me.“, und wirft ihr noch nach: „Don‘t cry just score it as an incomplete forward pass.“ Schließlich gelingt es Eve aber, sich durch ihre Intrigen den einflussreichsten Theaterkritiker und Svengali Addison DeWitt (George Sanders) gediegen zu machen, der sie bald unter seine Fittiche nimmt, aber sie nicht mehr aus seinen Krallen entlässt, weil sie ihm allzu bekannt ist: viele ihrer Charakterzüge zeichne auch ihn selbst aus. Denn das „Schicksal“ (destiny) wird von Leuten wie diesen „gemacht“ und nicht „erduldet“ und die „lustigen Streiche“ (merry pranks) spielen sie den anderen…
“Loose Lambs in the jungle“
„All about Eve“ glänzt nicht nur durch vorzügliche Dialoge über das Theater als Lebenswelt, sondern auch als vernichtende, geistreiche, durchdachte und kultivierte Satire. Twentieth Century-Fox und Joseph L. Mankiewicz liefern eine vortreffliche Beschreibung der Menschen und ihrer Eitelkeiten, die in diesem Milieu, dem Theater, ihr Leben verbringen. Viele von ihnen lachen nur, um ihre Zähne zu wetze, wie es so schön im Original heißt: „You only laugh to sharpen your teeth“. Mit Liebe zur Kultur hat das dann wenig zu tun, denn die meisten benutzen das Theater nur, um ihr eigenes Ego zu pushen, wobei sie fast bedauernswert wirken. Sie sind keine „loose lambs in the jungle“, den Eindruck, den Eve von sich anfangs vermitteln will, sondern reißende Hyänen. „It’s about time the piano realizes it has not written the concerto“, wirft der Drehbuchautor Margo an einer Stelle vor und hilft ihr damit, ihr Ego wieder etwas runterzuschrauben. Denn am Ende macht sie einen ziemlichen Gesinnungswandel durch und entscheidet sich dann doch für ihr vernachlässigtes Privatleben, „to become a woman“.
Ein wahrlich legendäres Filmerlebnis!
2006 wurde das Drehbuch von „All about Eve“ von der Gilde der Amerikanischen Drehbuchautoren zum fünftbesten Drehbuch aller Zeiten gewählt und das American Film Institute wählte den Film in der 1998 erschienenen Ausgabe der 100 besten Filme aller Zeiten auf Platz 16. 2007 schaffte der Film es in der Liste der 100 besten Filme auf den 27. Rang. Für die Rolle der Margo sei auch Marlene Dietrich im Gespräch gewesen, aber Joseph L. Mankiewiczi (Regie und Drehbuch) meinte nur lapidar: „She poses beautifully but she can't speak correctly“. „Alles über Eva“ definiert in der Filmanalyse ein spezifisches Merkmal für ein Ende, das Übereinstimmungen mit dem Beginn einer Erzählung aufweist. Man spricht hier von einem „Bookend“ oder einem „All about Eve Ending“, weiß Anton Fuxjäger in seiner Einführung in die grundlegende Terminologie über Film und Fernsehen. Ein durch und durch legendärer Film also!
Ab 2. August NEU auf Blu-ray bei Twentieth Century Fox alle Filme von Marilyn Monroe!
Joseph L. Mankiewicz
Alles über Eva/All About Eve
USA, 1950
DVD 138 Minuten
Twentieth Century Fox
Mit Bette Davis, Bill Sampson, Anne Baxter, Marilyn Monroe, George Sanders
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-08-01)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.