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Alberto Manguel - Alle Menschen lügen
Buchinformation
Manguel, Alberto - Alle Menschen lügen bestellen
Manguel, Alberto:
Alle Menschen lügen

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(Bücher frei Haus)

Lügen, wohin man schaut

Der 116. Psalm drückt es bereits zu biblischen Zeiten als grundlegende, menschliche Erfahrung aus: „Alle Menschen sind Lügner“. Natürlich bildet dieser Satz sprachlich ein Paradox, denn wenn er stimmt, dann ist zumindest ein Mensch kein Lügner, und wenn er gelogen ist, dann ist der Satz nicht ernst zu nehmen.

Ein Sprachspiel aber schwebte Alberto Manguel sicherlich nicht vor im Blick auf die Geschichte des Alejandro Bevilacqua, die Manguel in seinem aus verschiedenen Perspektiven nachvollzieht. In einer Weise nachvollzieht, die dem Titel gerecht wird. Desillusioniert in einem beständig zwischen Nähe, Lüge und Verrat schwankenden Umfeld vollzieht sich die Geschichte eines Exils.
Von einem persönlichen Feind wird der Protagonist in Argentinien an das brutale Militärregime verraten und ausgeliefert, wird abgeschoben ins Exil nach Spanien und, letztlich, dort ermordet.

Der Tod Bevilacquas ist es, der zu Beginn des Buches die Richtung des Romans vorgibt. Aus verschiedenen Perspektiven wirft Manguel nun einen Blick auf das Leben der Hauptfigur und seinen Widersacher, einen Blick voller Wehmut, Ernüchterung, und, vor allem, voller Lügen.

Nirgends kann der Leser sich sicher sein, wirklich zu durchschauen, was genau wer getan und was wo passiert ist. Erst im Zusammenklang all der persönlich gefärbten und die eigene Rolle beschönigenden Stimmen ergibt sich ein Bild der Geschehnisse, der Trennung von Freund und Feind. Der Weg, dieses Puzzle zusammen zusetzen ist ein nicht einfach, immer stark assoziativer Weg, auf den Maguel den Leser mitnimmt.

Schon der Beginn des Buches gibt hier sprachlich und stilistisch die Richtung vor. Mit ausgefeilter Sprache konzipiert Manguel einen schier endlos anmutenden Monolog, innerhalb dessen von Satz zu Satz, fast von Wort zu Wort die Informationen wechseln, andere Färbungen erhalten, falsche Spuren legen und doch ein Bild ergeben. Von der Behauptung der Ferne zu Bevelcqua eröffnet der Ich Erzähler so auf den ersten Seiten dann doch seine enge Freundschaft zum nunmehr ermordeten Exilanten.

Das alles wirkt zunächst planlos, ziellos, verwirrend, doch je mehr man sich auf den Stil und die verschiedenen Geschichten der jeweiligen Erzähler des Buches einlässt, desto deutlicher wird zum einen die harte Wirklichkeit angesichts einer brutalen Junta ab 1976 in Argentinien, literarisch aber viel mehr noch die Flüchtigkeit des Seins und der eigenen Erinnerungen, der Abschweifungen des Lebens selbst und den vielen Möglichkeiten, realen Ereignissen immer persönliche Färbungen zu verleihen, die den Sachverhalt bis ins Gegenteil umkehren können.

So konzipiert Manguel auch folgerichtig sein Ende, denn wer genau wen getötet hat und wie und warum, wen interessiert das wirklich? Das ist eben nicht die wahre Geschichte, die wahre Geschichte ist die der inneren Bearbeitung der äußeren Welt durch den Menschen.

Ein Sog aus Bildern und Worten, aus Eindrücken und Mutmaßungen, der mit seiner Sprachgewalt tief eintauchen lässt in die melancholische und tief von Lügen geprägte Welt der Figuren und Ereignisse. Eine Art, die Welt zu betrachten, die durch Alberto Manguel (der selber im Buch auftritt) einen ganz eigenen Blick auf vermeintliche Fakten eröffnet und darin generalisierende Elemente enthält. Ein echtes Leseabenteuer, das dem rational und geordneten Wunsch an gradlinige Geschichten wunderbar widerspricht.

[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-09-12)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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