„Ad gloriam dei et suae ecclesiae!“ (Zur Ehre Gottes und seiner Kirche), war ein Schlachtruf in den Zeiten der Renaissance, der nicht nur der Einheit der Kirche und Gottes Ehre galt, sondern auch der Einigung Italiens unter der Herrschaft des Papstes resp. der Borgia, die durch Intrige und Ablasshandel an die Macht gekommen waren und diese mit denselben Mitteln auch innig verteidigten. Dabei war dem Papst Alexander VI. – Rodrigo Borgia (1431-1503) – der 15 Kardinäle schmieren und bedrohen musste, damit endlich wieder weißer Rauch über dem Vatikan aufstieg und alle voller Freude „Habemus papam!“ exklamieren konnten, tatsächlich jedes Mittel recht. Rom war damals ein wahrer Sündenpfuhl und der neue Papst sicherte seine Herrschaft auf eine besonders gemeine und grausame Art und Weise, indem er Märtyrer schuf oder seinen eigenen Sohn Cesare zum Kardinal machte und diesen dann mit seiner Tochter zum Beischlaf zwang. Damit nicht genug tötete Cesare auch noch seinen eigenen Bruder, um seinen Machtanspruch zu sichern und führte als Feldherr Kriege, obwohl dies einem Kardinal offizielle verboten war. Mit Hilfe der Ideen Machiavellis (1469-1527) konnte Cesare sein eigenes Machtrefugium noch ausbauen und hätte wohl auch seinen eigenen Vater Rodrigo gestürzt, wäre ihm nicht doch noch wer anderer zuvorgekommen. Cesare galt als jung, schön und athletisch, aber auch sein Gesicht wurde bald durch die Syphilis – die französische Krankheit wie sie damals hieß – entstellt und die Bevölkerung Roms traf die Strafe Gottes in Form der Pest.
“Fegefeuer der Eitelkeiten“
Auch wenn nicht alle historischen Einzelheiten dieser ekstatischen Geschichte stimmen mögen, ist das Sittenbild einer Zeit am Beginn der Neuzeit sehr atmosphärisch dicht gelungen. Die gewagten Sexszenen, die Manaras Kunst auszeichnen, werden auch in „Borgia“ nicht ausgelassen und hinzukommen noch besonders blutrünstige Folter- und Bestrafungsmethoden, die in allen Einzelheiten gezeigt werden. Auf diese Weise ist der Comic also sicher sehr nahe an der damaligen Realität dran, das gibt auch Manara in einem in diesem Band abgedruckten Interview dem Leser mit auf den steinigen Weg zur Erkenntnis. Manara zeichnet aber auch die Kriegsmaschinen Leonardo da Vincis (1452-1519) oder die aufrührerischen Predigten Girolamo Savonarolas (1452-1498), der vor dem Untergang der Christenheit und dem verfehlten Leben des Papstes drohend warnte und schließlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Zuvor hatte Savonarola den guten Christenmenschen empfohlen, ihr Hab und Gut, das sie nicht benötigten, dem „Fegefeuer der Eitelkeiten“ zu übergeben. Auch Sandro Botticelli (1445-1510) soll diesem Fegefeuer eines seiner Werke überantwortet haben, was laut Manara auch eine historisch verbürgte Tatsache sei. „Überflüssige Waren und eitler Tand“ wurden dem Feuer übergeben, um dem Papst ein Leben in Bescheidenheit anzuempfehlen, indessen herrschte in den Palästen des irdischen und himmlischen Herrn und großen Brückenbauers das reinste Babylon und nicht nur Savonarola sehnte das Ende dieser grausamen Herrschaft der Intrige, des Neides und Inzests herbei.
“Vanitas vanitatum et omnia vanitas“
Der chilenische Tausendsassa Jodorowsky und der italienische Starcomiczeichner Manara legen in dieser kongenialen Koproduktion über die historisch verbürgte Herrscherfamilie Borgia ein ganz besonderes Gesamtkunstwerk vor, das in triefend purpurnes Blut getaucht ist und eine Ära der Dekadenz, Korruption und der uneingeschränkten Macht des Glaubens neu vor einem erstehen lässt. Meisterhaft und in den schönsten Farben wird die Geschichte erzählt und mit historischen Versatzstücken bestückt, die einen immer wieder verblüffen lassen. Allein die Existenz des „sedes stercoraria“ gibt schon sehr viel über eine Epoche preis, die wohl nichts an irdischen Lastern ausgelassen hatte. Der Aberglaube war dabei ein willkommener Verbündeter, den sich auch Rodrigo Borgia erfolgreich zunutze machen konnte. „Vanitas vanitatum et omnia vanitas“ heißt es am Ende dieser aufregenden Graphic Novel, die nicht nur zeigt, dass alle Eitelkeit zu immer noch mehr Eitelkeit führt und des Menschen Tod bedeutet. Girolamo Savonarola hatte wohl doch Recht.