„Komm, komm, weißer Mann, spiel dieses Spiel mit mir! Ich habe es oft gespielt…aber dieses Mal bin ich die Bank“, mit diesen Worten schlägt der schwarze Mann die Trommeln und läutet die langerwartete Rache ein, denn ein ganzer Kontinent will endlich seine Genugtuung. Die Abenteuer des Giuseppe Bergmann, die insgesamt sechs Geschichten („Ein Autor sucht sechs Personen“, „Tag des Zornes“, „Das große Abenteuer“, „Ein Traum ... vielleicht ...“, und „...Zu schauen die Sterne“, „Die Odyssee des Giuseppe Bergmann“) umfassen, sind Anfang der Achtziger entstanden und beinhalten deswegen eine Menge Themen, die durch die Sechziger und Siebziger Rebellion aufgekommen waren: Sexismus, Rassismus, Kapitalismus(kritik). Die beiden Geschichten mit dem italienischen Originaltitel „Un autore in cerca di sei personaggi“ und „Dies Irae“ sind dieser Tage bei Panini in der Werkausgabe 9 in Hardcover mit 196 Seiten erschienen. Sie stammen aus den Jahren 1980 und 1982 und widmen sich dem Vermächtnis des „schwarzen“ Kontinents: Afrika. Der Kontinent, der stets das Ziel westlicher Ausbeutung und Plünderung gewesen sei, habe auch einen mystischen Hintergrund, da die gesamte Menschheit eigentlich ja in Afrika entstanden sei. Afrika hat also einiges an Vielfalt und Geschichte zu bieten und wird ganz zu Unrecht als unzivilisiert beschrieben. Das Gegenteil ist durch eine jahrtausendealte Kultur ja leicht zu beweisen, was Milo Manara vielleicht als einer der ersten in einem Comic zu formulieren wagte. Manara’s McGuffin: eine schwarze Tasche
Manara hat in die erste Geschichte, „Ein Autor sucht sechs Personen“, - in Anlehnung an Alfred Hitchcock - eine geheimnisvolle schwarze Tasche eingebaut, die als McGuffin dem Storytelling dient. Das Ziel aller Handlungen ist zwar auf diese Tasche gerichtet, letztendlich ist es jedoch gar nicht so wichtig, was sich darin befindet. Genau damit werde aber eben die Spannung erzeugt, so Hitchcock. Giuseppe Bergmann, der eine weibliche Hauptdarstellerin für einen Film um eben diese Tasche sucht, ist selbst in die Handlung verwickelt, dabei sind die Grenzen zwischen (Comic-)Realität und Film aber fließend, denn die Schauspielerin selbst, kann beides bald nicht mehr auseinanderhalten und gibt sich schließlich willfährig den sexuellen Begierden des Regisseurs hin. Eigentlich ist auch sie gar keine Schauspielerin, sondern nur die Sekretärin des Stars, aber bald spielt sie ihre Rolle besser, als die, für die sie arbeitet. Am Ende entschuldigen sich aber alle artig bei ihr, Lou-Lou, dass sie ja eigentlich nur als erotische Staffage herhalten habe müssen und nie einen intelligenten Satz sagen durfte, aber Lou-Lou ist das dann schon ziemlich egal. Der Untergang des bösen weißen Mannes
Manara persifliert nicht nur die Frauenbewegung der Sechziger und Siebziger, sondern kann sich zudem – politisch korrekt – in seinen sexuellen Fantasien austoben, eine Entschuldigung für sein Handeln findet er dann eben in der Ironie. Eine andere wichtige Rolle spielt übrigens auch eine Art Bob Marley Verschnitt, der oben angesprochene Trommler, der zwar nicht Gitarre spielt oder singt, aber doch die Trommeln des Untergangs des Weißen Mannes schlägt. Der Tag wird kommen, Rastafari, an dem alle rechten Gläubigen wieder in ihr Ursprungsland, Mama Afrika, zurückkehren werden können. Die schwarze Diaspora – ein Synonym für die Knechtung der Sklaverei durch den Weißen Mann – wird dadurch endlich zu einem Ende kommen und unter dem äthiopischen König Haile Selassie Gerechtigkeit herrschen. So zumindest der Glaube dieser spirituellen Vereinigung, die in Bob Marley ihren Propheten und Haile Selassie ihren gerechten Gottkönig auf Erden sieht. Manara puts the Strip into the Comic-Strip
Natürlich spart Milo Manara auch in diesen Geschichten um Giuseppe Bergmann nicht mit Zivilisationskritik, etwa wenn er Pizarro als den Zerstörer der Maya-Pyramiden und damit der ersten Solarkraftwerke brandmarkt. In der oben angesprochen schwarzen Tasche befindet sich nämlich doch etwas sehr wertvolles, Pläne, wie man die solaren Pyramidenkraftwerke wiederherstellen könnte. Denn natürlich haben nicht nur Ölkonzerne und Regierungen plötzlich großes Interesse an dieser Tasche und so kann die Jagd durch die Kontinente beginnen. In Afrika wird die Filmcrew von zahlreichen bettelnden Kindern umringt, die alle „Messie“ schreien, aber Manara hat nichts außer österreichischen (sic!) Zigaretten anzubieten - rabenschwarzer Humor also, an den Grenzen der politischen Korrektheit. Signoria Santambrogio, die die Dreharbeiten überwacht und immer dann auftaucht, wenn es für Bergmann gerade nicht so gut aussieht, ist ein zusätzlicher Stachel im Fleische, da sie die Produktionskosten eindämmen will und Lou-Lou auf ihre wesentlich Rolle beschränkt: „Wenn du gerne plauderst, dann sag ruhig was du denkst, Hauptsache die Beine bleiben schön gespreizt.“, so Santambrogio wörtlich. Das Ganze „gipfelt“ dann in der Rücklingsposition Loulous - einer Pyramide - auf einem Gitterbett, nackt wie Gott sie schuf, also fast ihre beste Rolle. Aber am Ende wird selbst Giuseppe Bergmann sexistisch reduziert und muss in einem Lendenschurz a la Tarzan durch die letzten Strips des Comics schlurfen. Milo Manara bringt also tatsächlich das „Strip“ in die Comic-Strips: Manara puts the Strip into the Comic-Strip Wieder ein herrliches absurd-abstruses Abenteuer, das nur durch die Erwartung auf die Werkausgabe 10 noch getoppt werden kann.
Milo Manara Werkausgabe 9:
Die Reisen des G. Bergmann - Ein Autor sucht sechs Personen - Tag des Zornes www.paninicomics.de
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-02-12)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.