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Wolfgang Malischewski - Tristan und Isolde - wer weiß schon, was Liebe ist
Buchinformation
Malischewski, Wolfgang - Tristan und Isolde - wer weiß schon, was Liebe ist bestellen
Malischewski, Wolfgang:
Tristan und Isolde - wer
weiß schon, was Liebe
ist

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(Bücher frei Haus)

„Eigentum ist Diebstahl“ prangt in der Vorrede das Pierre-Joseph Proudhon-Zitat, doch der Autor müsste sich gar nicht schämen, geschweige denn rechtfertigen. Natürlich kommt der „Stoff“ nicht von ihm, die Geschichte von Tristan und Isolde ist schließlich älter als 800 Jahre und selbst das Original kennt wohl nicht nur einen Autor, denn auch jener Dieb, stahl von andern Dieben. Alles ist nur geliehen, das letzte Hemd hat keine Tasche, es kommt eben nur darauf an, was man bis dorthin daraus macht, aus dem Hemd. Und die Schelmenerzählung ist so sympathisch und modern geschrieben, dass sich so mancher dann vielleicht doch wieder an die Originale heranwagt oder demnächst die Bayreuther Festspiele besucht, um Wagners Interpretation des Stoffes zu sehen? Dieses Jahr wird sogar mit „Tristan“ eröffnet, am Samstag 25. Juli 2009 (http://www.bayreuther-festspiele.de/deutsch/spielplan_2009_61.html)

„Ah, mein Vasall kann Latein, was kann er noch?“ höhnt Morgan und schlägt Riwalin, dem Vater Tristans, den Kopf kurzerhand und diesen kürzend ab. So wird Tristan noch in zartem Babyalter bald zur Vollwaise, denn seine Mutter stirbt vor Gram über den Tod ihres Mannes. Der Knabe wächst bei Pflegeeltern auf und so beginnt eine tragische Geschichte, die in einer flüssig-sympathischen Sprache erzählt wird und so manchen fetten Grinser auf die Lippen zaubert. Der Mann hat Humor! Und das ist bei einem an und für sich so tragischen und traurigen Stoff gar nicht so einfach. Als junger Mann lernt Tristan fremde Sprachen, das Schachspiel und auch so manch andere Geschicklichkeit und bald will er den Kampf gegen die Schurken der Welt aufnehmen. „Angst lernt Gottlose beten“ und bald wird sein Schwert sich an so manchem starken Gegner wetzen und sich damit für weitere Schlachten schärfen. An der Burg Tintagel des Königs Marke angekommen, weiß er nicht, dass dieser, sein Oheim, für den Tod seines Vaters verantwortlich ist. Alle am Hof beneiden ihn, denn er bekommt die ganze Sympathie des Königs und fragt dieser ihn in seiner Verzweiflung nach dem Sinn des Lebens, weiß Tristan ihn schon: „Wir müssen erst alle Weine kosten, um zu wissen, ob sie schmecken.“

Bald bekommt Tristans Leben aber noch einen viel schmackhafteren Sinn als die besten Weine der Welt: als Isolde in sein Leben tritt, geht der tapfere Recke, in die Knie vor ihr. Ein Mädchen so schön und hold, stolzer Blick, so viel „Anmut bei so viel Spott in ihren Augen, das könnte selbst ihm gefährlich werden“. „Sie ist ein strahlender Morgen und eine verheißende Dämmerung, sie ist das Lied der Spatzen und der Nachtigallen. Sie duftet wie eine wilde Rose und wie Schnittlauch. (...) Sie ist eine Schönheit, die man ganz umschlingen, ganz verzehren möchte, und Ihr möchtet unersättlich viele Zungen und noch mehr Hände haben.“ Ein Schelm, wer Schmutziges dabei denkt, denn Tristan hat selbstverständlich nur die edelsten Absichten, schliesslich ist er ja ein Ritter!

„Ich muss sterben, damit Tristan zum Helden werden kann“, dachte der Drache traurig und der Zauber wirkte, denn die Zunge des Drachen im Gepäck, gewinnt Tristan die Gunst des gesamten irischen Hofes und vor allem jene von Isolde. Doch nun wird der große Tristan auch im Trauern noch der Größte, denn seine Isolde muss er seinem König bringen, auf dass Frieden herrsche zwischen Cornwall und Irland, braucht es eine Hochzeit. Die Heiligkeit der Ehe weist wieder einmal die natürliche Unzucht der Menschen in ihre Schranken, glaubt der Bischof als er die „Ja“-Worte der Brautleute vernimmt, doch das Ungeschehbare ist bereits geschehen. „Es ist bekannt, dass das Glück ein Schwein mit zwei Augenklappen ist, denn es ist blind. Es rast quiekend mal hierhin, mal dorthin und bleibt schließlich immer da, wo es was zum Fressen oder Schweinereien mit anderen Schweinen gibt“, lässt der Autor den Hofnarren zum König sagen, „Das ist das Geheimnis der Liebe“. Aber was ist die Liebe? „Ihr füchselt so frauenverstehend, so fein – Eure liederlichen Lieder sollen mich betören“ dichtet der Narr weiter und bald fragt er den König Marke selbst: „Was ist die Liebe?“ Dieser erblasst und Isolde springt ihm in die Bresche, an Tristan denkend: „Die Sehnsucht!“ Aber der König selbst kennt oder weiß keine Antwort und stottert: „Isolde...“, und das freut nicht nur den Narr`n!

Diese erwidert bald, des Ehebruchs überführt: „Gatte, König, hört mein stummes Schrein:/Könnt Ihr Marke, mir verzeihn?/ Wisst Ihr, dass ich Euch betrüge,/ schmeckt Ihr meiner Küsse Lüge?/Kann mich nicht von Schuld befrein. Werde, wehrend dem Begehren/immer Euch das Leid vermehren./Eure Liebe, Eure Trauer/machen mich ganz schreckensstarr -/ brennen muss ich Königshure/einsam sein Ihr, alter Narr.“ Gut gereimt, freut sich der Leser und erwartet gespannt die Erwiderung. Doch dann kommt doch noch alles ganz anders, schließlich ist Verzeihen eine christliche Tugend und Marke liebte Isolde doch einst? Erst wird sie zum Tode verurteilt, dann verbannt und schließlich kehrt Isolde reumütig zu ihrem König zurück. Das Leben im Wald, in der Liebesgrotte, mit Tristan, dem Wegelagerer, hatte ihr nicht gut bekommen, sie wollte wieder Königin sein, mehr noch als an Tristans Seite sein, Königin sein, auch wenn sie dafür Marke lieben müsste. Ist das Liebe? Kann das Liebe sein? Die Bequemlichkeit einer Frau? „Ist Liebe nicht grotesk,/so herb-männlich tristanesk?/Ist sie nicht wunderbar,/so süß isolderbar?“, dichtet sogleich der Narr weiter und jeder weiß, am Ende wird der Gehörnte von Cornwall (man beachte das Wortspiel!) zuletzt lachen und auch am lautesten.

„Ich weiß nicht mehr was Liebe ist. Als ich Euch früher liebte, war es wie ein bedingungsloser Rausch, eine fraglose Hingabe, bei der die Welt hätte untergehen können.“ Und Tristan antwortet Isolde: „Ich fühle nicht mehr, was mir einst Flügel gab, sodass ich in Eure Arme fliegen konnte.“ Die Metaebene ist der Ehebruch, aber auch das Verliebtsein, das wohl so ganze ohne Bequemlichkeit nicht auskommen kann. Traurig nur, dass danach wieder alles beim Alten ist und seinen alten „Tintagel-Gang“ geht, ganz so als wäre nie etwas geschehen und Tristan und Isolde hätten sich alles nur eingebildet. Aber das war doch wohl nicht alles, oder?

Wolfgang Malischewski schreibt in einer modernen Sprache, verwendet gerne auch ein paar Kraftausdrücke, ohne dabei jemals vulgär zu wirken. Tristan und Isolde werden in seinen Worten zu einem zeitgenössischen Abenteuer, das wohl nicht nur deswegen „Allen Liebenden“ gewidmet ist. Es finden sich nicht nur brauchbare Hinweise zur Verführung, sondern auch zur Heilung von dieser Krankheit, die Königreiche zusammenbrechen lässt und Kontinente auszulöschen vermag. Könnte man nur manchmal jene Momente anhalten, in denen das „Bett zu einem Kahne“ wurde, in dem sich Tristan und Isolde liebten, bevor sie König Marke heiraten musste. Gäbe es eine andere Lösung, wären wir um ein Drama ärmer, aber wohl noch umso kränker. Liebeskränker! Eine wunderschöne Erzählung neu erzählt und auch „for the young at heart“ absolut lesenswert und wahrlich beflügelnd, gerade im Frühling!

2007
August von Goethe Literaturverlag
www.frankfurter-literaturverlag.de
120 Seiten
ISBN 978-3-86548-894-7
8,90.-€

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2009-04-29)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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