„Das sollten sich sowieso aller hinter die Ohren schreiben: immer mit Nestor rechnen.“, bemerkt der beherzte Detektiv und fährt kurzerhand einen Zeugen mit einem frisch geklauten Lastwagen über den Haufen. Natürlich verletzt er ihn dabei nur soweit, dass der nicht nach Limoges flüchten kann, denn Nestor Burma, der wohl französischste aller Pariser Privatdetektive, braucht ihn noch als Zeugen, zumindest glaubt er das. Burma hat auch kein Problem damit, die „60.000 Eier und die Feder eines Kanarienvogels“ einzustecken, denn er ist ohnehin immer knapp bei Kasse und zur Lösung seines diesmal äußerst kniffligen Falles aus dem Kunstmilieu kann er die „Kriegsbeute“ sehr gut gebrauchen. Der sympathische Privatdetektiv der Firma Fiat Lux hat es in der vorliegenden Ausgabe mit dem französischen Originaltitel „Le soleil nait derriere le Louvre“ nicht gerade leicht, denn er bekommt nicht nur mehrmals eins auf`s Dach, sodass er einmal sogar zwischen den Beinen der wenn auch adeligen Clocharde (weibl. Form von Clochard) Aurelienne von Arnteal aufwacht, sondern schläft auch noch einer stadtbekannten Lebedame, dem Mannequin Genevieve „Jenny“ Levasseur in dem Nobelhotel Transocean, auf den auch der Titel der Original-Romanvorlage anspielt. Wo sich heute das Intercontinental befindet hat man nämlich einen vorzüglichen Blick auf den Louvre und „die Sonne, die hinter ihm aufgeht“. Aber was ein guter Detektiv ist, lässt sich selbst davon nicht beeindrucken, denn er ist so hart, dass ihn weder Sonnenaufgänge hinterm Louvre gesehen von Luxushotelsuiten noch schöne Frauen beeindrucken können, obwohl er zugibt, dass Genevieve neben ihren Schwächen durchaus auch über ganz schön attraktive Stärken verfügt. Dass ihm dann ausgerechnet die Clocharde bei der Aufdeckung des Kunstdiebstahls hilft und nicht die attraktive Genevieve, die selbst knietief in dem deutschen Wort das mit S beginnt drinsteckt, gehört wohl zur Ironie des Schicksals, das wieder einmal die richtigen bestraft.
Was die wenigsten wissen, wird in dem gefälligen Nachwort kompetent erklärt, nämlich dass die Geschichte von Leo Malet auf einem wahren Hintergrund beruht. Der aufsehenerregende Diebstahl der Mona Lisa aus dem Louvre vom 21. August 1911 (also vor etwas weniger als genau hundert Jahren!) beschäftigte die europäische Öffentlichkeit gleich mehrere Jahre, bis die Mona Lisa schließlich zwei Jahre später wieder gefunden wurde. Ein italienischer Anstreicher hatte das berühmteste Gemälde der Welt gestohlen und wollte es eigenhändig wieder an Italien restituieren, da es ja einst von Napoleon von dort gestohlen wurde. Vincenzo Peruggia hatte das Bild in einem Loch nahe seines Ofens versteckt und wollte es für 500.000 Lire dem Künstler Alfredo Geri aushändigen. Dieser hatte jedoch die Polizei verständigt und den „nationalistischen Coup“ vermasselt. Italienische Nationalisten verlangten zwar, dass „ihre“ Mona Lisa zuhause bliebe, die Regierung wollte jedoch keinen Eklat provozieren und gab das Bild freiwillig – nach einer kleine Tournee durch Oberitalien – dem Louvre zurück. Peruggia, der kein professioneller Kunstdieb war, sondern nur einer aus Gelegenheit, kam mit einer Strafe von nur sieben Monaten davon. Immerhin hat er durch seine Tat der Mona Lisa zu mehr Publicity verholfen und so sicherlich seinen ganz eigenen Beitrag zur Wahrnehmung der Mona Lisa als einem „italienischen“ Kunstwerk geleistet. Vielleicht sogar aufgrund seines Verbrechens wurde sie zum bekanntesten Gemälde des Louvre.