Zum 101 Geburtstag von Harry`s Bar am 26. November 2012, sei an einen der schönsten Orte von Paris erinnert, der in einer farbigen Präsentation mit vielen Fotos, Zitaten und Anekdoten hier vom Knesebeckverlag in einer zweisprachigen Auflage in Buchform vorgelegt wird. Allerdings bezieht sich das Jubiläum auf die Pariser Filiale der Harry's New York Bar, die eben schon 1911 amerikanisches Lebensgefühlt nach Frankreich brachte. Dort wurden nicht nur die „Bloody Mary“, der „Side Car“ und „Blue Lagoon“ erfunden, sondern es wurde auch zu einem Treffpunkt der jeunesse dorée, ein Ort wo sich Ernest Hemingway, George Gershwin und F. Scott Fitzgerald trafen. Ableger gibt es inzwischen in Berlin Frankfurt, Köln und Hannover und Isabelle MacElhone, die Enkelin von Harry MacElhone, schaut darauf, dass zumindest die Gründungsfiliale ein Familienbetrieb bleibt: mit ihrem Sohn Franz-Arthur managt sie immer noch die Pariser Bar.
Saloon mit heißen Hunden
Banner von Eliteunis, Wimpel von Footballclubs und alte Geldscheine haben ihren Platz an den Wänden von Harry's Bar gefunden, ebenso wie alte Schilder in Französisch-Englisch: Try our hot dogs, Chiens chauds à toute heur, nicht ganz wörtlich übersetzt, aber dennoch verständlich. Dabei stammt der komplette Bestand der Bar tatsächlich aus New York, denn aufgrund der Prohibition wurde die dortige Bar einfach zerlegt und nach Paris verlegt. Die erste „American Bar“, die sich nicht in einem Hotel befand, wurde zu Thanksgiving eröffnet und hatte die klassischen Schwingtüren, wie man sie aus Saloons in Westernfilmen auch heute noch kennt. Harry, der Barmixer traf dann auf Tod Sloan den Barbesitzer und der Rest ist Geschichte.
ABC des Trinkers
Das ABC of Mixing Cocktails, das 300 Rezepte enthielt, hatte Harry so bekannt gemacht, dass er überall willkommen war und bald hatte er so viel Geld verdient, dass er die New York Bar in Paris 1923 einfach kaufen konnte. Der 18. Zusatzartikel der Verfassung der USA von 1920 trug natürlich wesentlich zum späteren Erfolg der Bar bei, blieb er doch bis 1933 aufrecht. Dass amerikanische Gesetze in Frankreich nicht galten, war wohl die Ursache, dass so viele junge Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler in dieser Zeit nach Paris zogen, aber natürlich auch weil der Dollarkurs so gut war, dass sie sich in Paris praktisch alles leisten konnten.
Die Geburt der „Barfliege“
George Gershwin soll am Piano im Souterrain der Bar, dem Front Page Cabaret genannten Keller, sein Stück „Ein Amerikaner in Paris“ komponiert haben. Harry hatte von Anfang an ein gutes Gespür für Marketing und bald wurde mit ein paar amerikanischen Journalisten die IBF (FBI umgekehrt) aus der Taufe gehoben, International Bar Fly. Carl Dennewitz soll bei einer dieser Sauftouren tote Fliegen auf Zuckerstücke geklebt haben und den Anwesenden ans Revers gesteckt haben und: the Barfly was born! Die Liste der Mitglieder der IBF wurde bald ellenlang und liest sich wie ein „who is who“ der amerikanischen Zwischenkriegszeitkultur. Natürlich werden inzwischen auch Frauen in den immer noch existierenden Club aufgenommen.
Harry's Bar war es auch, die die Pariser nicht nur mit amerikanischer Trinkkultur, sondern auch erstmals mit Coca Cola und Hot Dogs vertraut machte. Natürlich enthält die vorliegende Publikation neben vielen Fotos und der Geschichte des zivilisierten Trinkens während der Prohibition auch viele Cocktailrezepte, auf die sogar Venedikt Erofeev eifersüchtig gewesen wäre. Prost!
Harry's Bar
Legenden, Geschichten und Drinks
Isabelle MacElhone
28,0 x 20,0 cm, Gebunden, 128 Seiten, mit 61 schwarzweißen Abbildungen, mit 79 farbigen Abbildungen
Erscheinungsdatum: November 2011
ISBN 978-3-86873-434-8
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2012-11-08)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.