„Von nun an war ich Guidos Freundin. Mein Leben erleichterte sich enorm. Ich wurde wieder vom Objekt zum Subjekt.“, so fasst die Autorin Ulli Lust ihre Erfahrungen mit den Männern in Italien oder den Männern insgesamt an einer wichtigen Stelle ihres Buches treffend zusammen. Die Männer wollen nämlich alle nur das eine von den beiden Wiener Punk-Mädchen Edita und Ulli: ihnen an die Wäsche. Während erstere sich darauf einlässt und sich damit arrangiert und auch einen Weg darin sieht, an die „große Kohle“ zu kommen, lehnt sich letztere gegen ihren Objektstatus auf und wählt doch immer wieder die falschen Männer, um ihr dabei zu helfen, wieder zum Subjekt zu werden. „Ich bin ein schwarzes Loch, das eure Regeln nicht akzeptiert. Ihr kennt keine Frauen wie mich? Ihr werdet sie kennen lernen!“
Die Frage, ob sie Masochistin sei, beantwortet sich Ulli denn auch im Selbstversuch, am Ende einer weiteren erniedrigenden Erfahrung sieht sie dann ein, dass es wohl nicht so ist. Auf ihrer Reise durch Italien erleben die beiden Wienerinnen die italienische Einstellung zu Frauen aus nächster Nähe: sie sind heilig, man darf sie nicht schlagen. Aber das gilt natürlich nur für Italienerinnen. Ausländerinnen sind Freiwild und sie werden bei jeder Gelegenheit begrapscht oder mit so lächerlichen Komplimenten über die schönen Augen und das Meer bedacht. Dieses Spiel ist wohl so alt wie die Menschheit und immer wieder fallen Touristinnen aus dem Norden darauf herein. Ulli durchschaut das bald, während Edi, die quasi als Nymphomanin dargestellt wird, die Komplimente genießt und dafür auch bereit ist mit ihrem Körper zu bezahlen. Sie will den Sex ja auch. Als es deswegen zu Komplikationen kommt, weil ihr Mafiafreund Paolo auch Ulli an seine Freunde „vermitteln“ will, entscheidet sich Edi ohne zu zögern für Paolo. Aber nicht aus Feigheit oder Verrat, sondern ganz einfach aus Dummheit. Ulli Lust schildert schonungslos die Gier der Männer, ihren sexuellen Appetit auch auf zwei verwahrloste Minderjährige, die immer die gleichen Klamotten tragen und auf der Straße schlafen und wahrscheinlich auch dementsprechend riechen. Den Männern ist das egal, Hauptsache ein Loch, wie Ulli Lust es oben beschrieben hat. Aber Ulli Lust zeigt auch, dass man es auch anders machen kann, dass man sich nicht den Männern und ihren Wünschen unterordnen muss, sondern dass es auch möglich ist, sich Respekt zu verschaffen.
Der Comic vermittelt eine authentische Atmosphäre der Achtziger Jahre. Die beiden Mädchen, die sich 1984 im Umfeld der Wiener Gassergasse bewegten, hauen von zu Hause ab, weil sie neugierig sind auf das Leben „da draußen“, dass es dermaßen triste und grausam sein kann und Ulli sogar vergewaltigt wird, Edi an der Nadel hängt und beide schließlich sogar von der Polizei gesucht werden, das hätten sich die beiden bei ihrem Aufbruch aus Wien wohl nicht erwartet. Am Ende wird doch noch alles gut. Aber die schrecklichen Erfahrungen lassen sich wohl nicht mehr so einfach auslöschen. Ulli Lust hat einen realistischen Comic geschrieben, ihn mit sicheren Strichen gezeichnet und eine klare Botschaft vermittelt. Nach über vierjähriger Arbeit erscheint dieses autobiographische Comic-Epos von Ulli Lust beim Avantgarde Verlag. Die in Berlin lebende, österreichische Zeichnerin Ulli Lust, bisher vor allem bekannt für ihre Comic-Reportagen ("Fashionvictims, Trendverächter", avant-verlag) und erotisch-mythologischen Comics ("Airpussy", L'employé du moi), legt damit die bislang umfangreichste deutschsprachige Comic-Erzählung vor (462 Seiten), die auch mit ein paar Zeitdokumenten ausgestattet wurde. Die anscheinend nur zwei Monate dauernde Reise wird packend geschildert und führt die beiden ohne Geld und Reisepass von Wien über die Alpen nach Verona, Rom und Neapel bis nach Sizilien. Die beiden Mädchen verlieren einander, treffen sich in Palermo wieder, treffen auf Junkies, Straßenmaler, Esoteriker, Nachwuchs-Mafiosi wie ausgewachsene Capos, die trotz der in Palermo schwelenden Mafiakriege ein beunruhigendes Interesse an den Mädchen zeigen. Der Comic spielt vor dem Hintergrund der „Buscetta“-Geständnisse, der erste Capo dei Capi, der mit der Polizei zusammenarbeitete und mehrere seiner Landsleute verpfiff. Seine Aussagen klärten 121 Mordfälle der letzten 15 Jahre auf und führten zu 366 Haftbefehlen.