„M`addormento, bisognoso d`una consolazione che non posso domandare agli uomini e non so implorare da Dio“ („Ich schlafe ein ohne Trost: von den Menschen kann ich ihn nicht verlangen, und zu Gott weiß ich nicht zu flehen.”), schreibt Giani Stuparich in sein Tagebuch im Schützengraben, zwischen Österreichern und Italienern, als ihm die Kugeln des Ersten Weltkriegs um die Ohren fliegen. Triest war damals noch bei Österreich und die Irredentisten wie die beiden Schriftstellerbrüder Stuparich hatten die Seite gewechselt, weil sie überzeugt waren, für eine gerechte Sache zu kämpfen, die „Erlösung der unerlösten Gebiete“. Doch bald mussten auch diese beiden Idealisten einsehen, dass keine „gerechte“ Sache einen Krieg rechtfertigen kann, dass durch das Blut der anderen jede noch so gerechte Sache in den Schmutz gezogen wird und es keines Heldenmuts bedarf, sondern viel eher einer Skrupellosigkeit, den Soldaten auf der anderen Seite – der so ist wie du und ich – zu erschießen. So schreibt auch Stuparich, ängstlich vor seiner ersten Begegnung mit dem Feind, dass er nur als Teil des Ganzen töten könnte, „aber allein, nein, allein ist es schrecklich“. Giani Stuparich ist nur einer von vielen, dessen Lebensweg und Werk die Autorin in der vorliegenden Monographie zu Triests Literatenwelt zusammengetragen hat. Sein Bruder Carlo etwa nahm sich im Krieg das Leben als er - von Feinden umzingelt - seine Stellung nicht mehr halten konnte. Sein kurzes Leben - er war gerade erst 22 - sei nichts gewesen, als „hochgespannte Erwartung“ (O-Ton): „Ich warte immer auf etwas, das nicht kommt, wie, ich weiß nicht, aus welchem Märchen...“
Es sollte bei einem Märchen bleiben. Vom Krieg etwas Positives zu erwarten, das musste auch sein Bruder Giani bald einsehen, war absurd: „dall`odio volevo trarre un fondamentale insegnamento d`amore“ (dem Hass eine grundsätzliche Liebeslehre abgewinnen), wer könnte einen solchen Widerspruch anders als durch Selbstmord auflösen? Auch Angelo Vivante, der überzeugte Pazifist und ehemalige Chefredakteur des „Il Lavoratore“, beging Selbstmord, da er den Krieg als die „radikalste Verneinung des Menschentums“ ablehnte und in ihm ein Verbrechen und eine Schuld sah, die durch nichts mehr zu sühnen wäre. Die besten einer Generation sind so wohl dahingegangen und es tut gut zu sehen, dass sich noch jemand an sie erinnert. Renate Lunzer gräbt, und sie gräbt tief, wenn sie in ihrer Monographie derer gedenkt, die nicht nur Schlechtes an der Monarchie sahen, sondern durch ihre Kritik sogar noch versuchten, das Schlimmste zu verhindern. Selbst ein Scipio Slataper, der sich freiwillig zur Armee gemeldet hatte, glaubte mit dem Tode Franz Josephs noch lange nicht an das Ende der Monarchie. Er glaubte an den kulturellen, nicht aber an den politischen Irredentismus und drückte es so aus: „Irredentismo colturale è l`irredentismo triestino!“ Sie die Vocisten (Anhänger der in Florenz herausgegebenen irrdentistischen Zeitung „Voce“ und der Idee der Irredenta) würden international leben, „fra un tedesco intelligente e un italiano sciocco, preferiamo il tedesco“ (zwischen einem intelligenten Deutschen und einem dummen Italiener, bevorzöge er den Deutschen), schreibt er, es ginge nicht um politische Grenzen, sondern um die Vereinigung der Völker, um eine Föderation der Völker.
Die „Erlösung“ von Österreich, also die Irredenta, und die Vereinigung mit dem „Mutterland Italien“ war zwischen 1871, der Einigung Italiens, und 1914, dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, zwar das vorrangige politische Ziel, vielmehr noch ging es den Irredentisten aber um die kulturelle Vereinigung in einem plurinationalen Raum, denn wie Magris anmerkt, seien nur jene die wahren Irredentisten, die die Monarchie seinerzeit bekämpften und auch nach ihrem Ende noch die Leviathane, die darauf folgten, bekämpften. Venezia-Giulia und Friaul ging es in einem faschistischen Italien, nach 1924, wohl kaum besser als noch während der Irredenta. Triest war immer zwischen „Amalgam und Archipelagos“, „Alienität und Alterität“, schreibt die Autorin in ihrem Vorwort und gerade die Triestiner stellten von der Peripherie her – quasi als Avantgardeposten – den klassizistischen Gestus der italienischen Repräsentationskultur und den hegemonialen Diskurs in Frage. Gerade aufgrund seiner Sonderstellung – zwischen Slawen, Österreichern und Italienern – war Triest zu Höchstleistungen der Kultur fähig, zumindest was das Hervorbringen einiger der besten italienischen Schriftsteller betrifft. Integrierender Bestandteil sei – laut Lunzer – „einer sich in Frustration und Widerstand formierenden Triestinität die Revalorisierung der Austriazität, der österreichischen Identitätsanteile, in einer massiven Evokation des kollektiven Gedächtnisses“ gewesen. Natürlich kommt kein Buch über Triest ohne Claudio Magris aus, dessen Werk die Autorin gleich ein ganzes Kapitel (90 Seiten! und damit immerhin ein Fünftel ihres Buches) widmet. Dieser hatte schon als Zwanzigjähriger (!), 1963, mit seinem Werk über den „habsburgischen Mythos in der modernen österreichischen Literatur“ den Grundstein für so manche Triest- und Mitteleuropa-Forschung gelegt, an der man sich auch heute noch, bald 50 Jahre danach, orientieren kann.
In ihrem fünften Kapitel beschreibt Lunzer aber nicht nur dessen vielseitiges Werk, sondern auch die Reaktionen darauf. Teilweise hatte die Autorin übrigens persönlichen Kontakt mit den beschriebenen Autoren (darunter Briefwechsel mit Magris), aus denen sie auch gerne und ausführlich zitiert. Besonders angenehm ist dabei die bilinguale Zitierweise, was ich zusätzlich noch als positives Kriterium dieser Publikation hervorheben möchte. Abschließen möchte ich jedoch mit einem Wort des Wahltriestiners Enzo Bettiza: „Sehr viel hellsichtiger als ihre Väter entdecken heute (1966, JW) die Triestiner der jungen Generation (...) wie der Germanist Claudio Magris (..:), dass im Grunde zwischen Svevos Triest, Krlezas Zagreb, Musils Wien, Kafkas Prag und Lukacs Budapest ein verborgenes Souterrain liegt, eine Art schicksalhafte geistige Mitbeteiligung, die sie enger aneinander bindet als die augenfälligen trennenden Faktoren der Sprache, der Nationalität und der Ideologie.“ Voilà! Mitteleuropa, es gibt dich doch!
„M`addormento, bisognoso d`una consolazione che non posso domandare agli uomini e non so implorare da Dio“ („Ich schlafe ein ohne Trost: von den Menschen kann ich ihn nicht verlangen, und zu Gott weiß ich nicht zu flehen.”), schreibt Giani Stuparich in sein Tagebuch im Schützengraben, zwischen Österreichern und Italienern, als ihm die Kugeln des Ersten Weltkriegs um die Ohren fliegen. Triest war damals noch bei Österreich und die Irredentisten wie die beiden Schriftstellerbrüder Stuparich hatten die Seite gewechselt, weil sie überzeugt waren, für eine gerechte Sache zu kämpfen, die „Erlösung der unerlösten Gebiete“. Doch bald mussten auch diese beiden Idealisten einsehen, dass keine „gerechte“ Sache einen Krieg rechtfertigen kann, dass durch das Blut der anderen jede noch so gerechte Sache in den Schmutz gezogen wird und es keines Heldenmuts bedarf, sondern viel eher einer Skrupellosigkeit, den Soldaten auf der anderen Seite – der so ist wie du und ich – zu erschießen. So schreibt auch Stuparich, ängstlich vor seiner ersten Begegnung mit dem Feind, dass er nur als Teil des Ganzen töten könnte, „aber allein, nein, allein ist es schrecklich“. Giani Stuparich ist nur einer von vielen, dessen Lebensweg und Werk die Autorin in der vorliegenden Monographie zu Triests Literatenwelt zusammengetragen hat. Sein Bruder Carlo etwa nahm sich im Krieg das Leben als er - von Feinden umzingelt - seine Stellung nicht mehr halten konnte. Sein kurzes Leben - er war gerade erst 22 - sei nichts gewesen, als „hochgespannte Erwartung“ (O-Ton): „Ich warte immer auf etwas, das nicht kommt, wie, ich weiß nicht, aus welchem Märchen...“
Es sollte bei einem Märchen bleiben. Vom Krieg etwas Positives zu erwarten, das musste auch sein Bruder Giani bald einsehen, war absurd: „dall`odio volevo trarre un fondamentale insegnamento d`amore“ (dem Hass eine grundsätzliche Liebeslehre abgewinnen), wer könnte einen solchen Widerspruch anders als durch Selbstmord auflösen? Auch Angelo Vivante, der überzeugte Pazifist und ehemalige Chefredakteur des „Il Lavoratore“, beging Selbstmord, da er den Krieg als die „radikalste Verneinung des Menschentums“ ablehnte und in ihm ein Verbrechen und eine Schuld sah, die durch nichts mehr zu sühnen wäre. Die besten einer Generation sind so wohl dahingegangen und es tut gut zu sehen, dass sich noch jemand an sie erinnert. Renate Lunzer gräbt, und sie gräbt tief, wenn sie in ihrer Monographie derer gedenkt, die nicht nur Schlechtes an der Monarchie sahen, sondern durch ihre Kritik sogar noch versuchten, das Schlimmste zu verhindern. Selbst ein Scipio Slataper, der sich freiwillig zur Armee gemeldet hatte, glaubte mit dem Tode Franz Josephs noch lange nicht an das Ende der Monarchie. Er glaubte an den kulturellen, nicht aber an den politischen Irredentismus und drückte es so aus: „Irredentismo colturale è l`irredentismo triestino!“ Sie die Vocisten (Anhänger der in Florenz herausgegebenen irrdentistischen Zeitung „Voce“ und der Idee der Irredenta) würden international leben, „fra un tedesco intelligente e un italiano sciocco, preferiamo il tedesco“ (zwischen einem intelligenten Deutschen und einem dummen Italiener, bevorzöge er den Deutschen), schreibt er, es ginge nicht um politische Grenzen, sondern um die Vereinigung der Völker, um eine Föderation der Völker.
Die „Erlösung“ von Österreich, also die Irredenta, und die Vereinigung mit dem „Mutterland Italien“ war zwischen 1871, der Einigung Italiens, und 1914, dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, zwar das vorrangige politische Ziel, vielmehr noch ging es den Irredentisten aber um die kulturelle Vereinigung in einem plurinationalen Raum, denn wie Magris anmerkt, seien nur jene die wahren Irredentisten, die die Monarchie seinerzeit bekämpften und auch nach ihrem Ende noch die Leviathane, die darauf folgten, bekämpften. Venezia-Giulia und Friaul ging es in einem faschistischen Italien, nach 1924, wohl kaum besser als noch während der Irredenta. Triest war immer zwischen „Amalgam und Archipelagos“, „Alienität und Alterität“, schreibt die Autorin in ihrem Vorwort und gerade die Triestiner stellten von der Peripherie her – quasi als Avantgardeposten – den klassizistischen Gestus der italienischen Repräsentationskultur und den hegemonialen Diskurs in Frage. Gerade aufgrund seiner Sonderstellung – zwischen Slawen, Österreichern und Italienern – war Triest zu Höchstleistungen der Kultur fähig, zumindest was das Hervorbringen einiger der besten italienischen Schriftsteller betrifft. Integrierender Bestandteil sei – laut Lunzer – „einer sich in Frustration und Widerstand formierenden Triestinität die Revalorisierung der Austriazität, der österreichischen Identitätsanteile, in einer massiven Evokation des kollektiven Gedächtnisses“ gewesen. Natürlich kommt kein Buch über Triest ohne Claudio Magris aus, dessen Werk die Autorin gleich ein ganzes Kapitel (90 Seiten! und damit immerhin ein Fünftel ihres Buches) widmet. Dieser hatte schon als Zwanzigjähriger (!), 1963, mit seinem Werk über den „habsburgischen Mythos in der modernen österreichischen Literatur“ den Grundstein für so manche Triest- und Mitteleuropa-Forschung gelegt, an der man sich auch heute noch, bald 50 Jahre danach, orientieren kann.
In ihrem fünften Kapitel beschreibt Lunzer aber nicht nur dessen vielseitiges Werk, sondern auch die Reaktionen darauf. Teilweise hatte die Autorin übrigens persönlichen Kontakt mit den beschriebenen Autoren (darunter Briefwechsel mit Magris), aus denen sie auch gerne und ausführlich zitiert. Besonders angenehm ist dabei die bilinguale Zitierweise, was ich zusätzlich noch als positives Kriterium dieser Publikation hervorheben möchte. Abschließen möchte ich jedoch mit einem Wort des Wahltriestiners Enzo Bettiza: „Sehr viel hellsichtiger als ihre Väter entdecken heute (1966, JW) die Triestiner der jungen Generation (...) wie der Germanist Claudio Magris (..:), dass im Grunde zwischen Svevos Triest, Krlezas Zagreb, Musils Wien, Kafkas Prag und Lukacs Budapest ein verborgenes Souterrain liegt, eine Art schicksalhafte geistige Mitbeteiligung, die sie enger aneinander bindet als die augenfälligen trennenden Faktoren der Sprache, der Nationalität und der Ideologie.“ Voilà! Mitteleuropa, es gibt dich doch!