Mord an der schönen Shirin Talabani, erwürgt und entblößt. Die Fakten scheinen eindeutig: Ehrenmord im türkisch-kurdischen Milieu an der „Schande bereitenden“ Shirin. Auch der Täter scheint rasch gefunden: Shirins Bruder. Doch Wencke Tydmers, Profilerin beim LKA in Hannover, hat ihre Zweifel am Augenschein. Ihr Gespür sagt ihr, dass der Bruder nicht der Mörder ist. Geht es überhaupt um einen Ehrenmord an der aufbegehrenden und Freiheit suchenden Shirin?
Und sie behält recht. Doch als sie die wahren Umstände des Mordes beginnt, zu entwirren, wird ihr Sohn entführt. Die Spur führt in die Türkei. Gemeinsam mit ihrem ehemaligen Geliebten, mit dem für Wencke Tydmers noch lange nicht alle offenen Fragen geklärt sind, nimmt sie die Verfolgung auf. Um den Fall zu lösen und ihren Sohn zu finden. Und sie gerät hinein in die kurdische Welt tief verwurzelter Traditionen mit überraschenden Wendungen.
Sandra Lüpkes greift ein hoch aktuelles Thema unserer Tage auf und beschreibt es auf eine ganz andere, letztlich die Vorurteile des (westlichen) Lesers entblößende und umwandelnde Art und Weise. Dafür braucht Sie nicht viele Worte und ellenlange Seiten. Die tiefen Einblicke in die, hinter den oft fremd anmutenden Bräuchen und Traditionen, liegenden Prägungen beschreibt sie treffend in Einschüben von jeweils zwei-drei Seiten, auf denen die innere Geschichte des Mordes erzählt wird, während die spannende Ermittlungs- und Verfolgungsgeschichte sich entfaltet. Mittels dieses Stiles nimmt sie den Leser fast unmerklich mit hinein in die Welt einer uns immer noch fremd anmutenden Kultur, die im westlichen Alltag leicht und, leider, auch oft vorschnell abgeurteilt wird.
Ein hoch differenziertes Bild entsteht, bei dem der Leser durchaus einerseits nachvollziehen kann, warum die Braut einer kurdischen Hochzeit gemeinsam mit den anderen Frauen das traurige und angsterfüllte „Lied der dunklen Rose“ anstimmt, andererseits aber auch ein Verständnis für die Sicherheit gebende Seite dieser althergebrachten Werte und Traditionen erhält. Selten jedenfalls kann man so viel Verständnis und Sympathie für den eigentlichen Mörder aufbringen wie hier und die Dramatik des Geschehens so gut nachvollziehen.
Die Geschichte ist sprachlich aus einem Guss erzählt, die Personen lebendig und realitätsnah geschildert, temporeich und dennoch an den entscheidenden Punkten innehaltend, so nimmt Sandra Lüpkens den Leser mit auf ihre Reise in eine andere, fremd anmutende, Welt.
Fazit:
Eine spannende Ermittlung einer vielschichtigen Ermittlerin, die in guter Weise den Blick öffnet für fremde Werte und Traditionen und ein tieferes Verständnis dieser Lebensart ermöglicht.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-04-24)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.