Stephan Braum, ein frühpensionierter Fernsehredakteur, der in Wien lebt, bringt 135 Kilo auf die Waage und sein Leben wird dadurch immer beschwerlicher, bis sein Arzt ihm schließlich sogar ein baldiges Ende prophezeit, sollte er nicht endlich etwas für seine Gesundheit tun. Da stößt der deutsche Wien-Bewohner auf ein Zitat von Sigmund Freud, das ihn bald zu einem echten Bewohner der Stadt werden lässt. „In Wien hatte der Rausch eine unerhört tiefe und gesunde Tradition und war fast niemals negativ konnotiert“ lautet denn auch bald Herrn Braum’s Erkenntnis und so versucht er bald mit Hilfe von Kokain abzunehmen. Dabei geht es ihm wohlgemerkt nicht um den Rausch, den wollte er von dem Teufelszeug gar nicht haben, sondern er wollte wirklich einfach nur abnehmen. „Alles Liebe, Bussi Bussi. So sprach man in Österreich, es war keineswegs ironisch oder unpassend.“ Die neue Wiener Erfolgsdiät
Mit seinem untrainierten „Helmut-Kohl-Körper“ fährt er alsbald die Wiener Mariahilferstraße rauf und runter – mit dem Elektrofahrrad. Er macht Spaziergänge, aber keine ausgedehnten und lernt alsbald auf der Suche nach seiner cocaine connection den Künstler Hölzl kennen, ein wirkliches enfant terrible der Wiener Szene, dessen „forcierte Laberflashs“ Legende waren. Braum kämpft zwar immer wieder gegen „überfallsartigen Verfall“, aber bald tut das Zeug seine wohltuende Wirkung und es purzeln endlich die Kilos. So wird aus dem „Elefantenmensch“ alsbald ein junggebliebener geschiedener Single in der Mitte seines Lebens und so findet auch das weibliche Geschlecht wieder Gefallen an dem erfahrenen Mann, der gerne eine Prise spendiert. Als dann auch noch sein jüngerer Bruder aus Berlin auftaucht, der immer wieder mal nach dem Rechten schauen will, nimmt das Chaos in Braums Leben überproportional zu, aber nicht umsonst wird Kokain auch die Manager-Droge genannt und so bekommt auch Braum sein Leben wieder in den Griff. Hölzl, Schwindy & Cocaine
Joachim Lottmanns liebevoll geschriebene Satire auf die Wiener Halbwelt, wie sie eben nur ein Deutscher schreiben und sehen kann, glänzt nicht nur durch einige wirklich witzige Ausdrücke, sondern auch durch seinen absurden Humor und seinen Abgesang auf die Kunstszene, die Lottmann ordentlich auf die Schaufel nimmt. Lokalpolitische Anspielungen wie der Hölzl, der auch ein bekannter verstorbener Wiener Popsänger sein könnte, oder auf „Schwindy“, der auch ein bekannter lebender Politiker sein könnte, zeugen von Lottmanns Sachkenntnis nicht nur der Wiener Materie. Und auch wenn ein paar Lektoratsfehler wie ein ellenlanges Freud-Zitat, das zweimal gesetzt wurde, oder ein Truffaud statt einem Truffaut und eine femme cree statt einer femme crèa auffallen, kann Lottmanns Roman doch als ein gelungenes Stück Simplicissimus bezeichnet werden, das vielleicht etwas frauenfeindlich erscheint aber deswegen umso amüsanter daherkommt, als man es von deutschem Humor erwartet hätte. Toll auch, dass man des Gefühl bekommt etwas zu lesen, das gerade erst geschrieben wurde, wie man zum Beispiel an den Tagebucheintragungen Braums erkennen kann oder an der Fuzo in der Mariahilferstraße, deren Durchsetzung Lottmann höchst amüsant geißelt.