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Rezensionen


 
Michael Löwy - Franz Kafka - Träumer und Rebell. Eine Annäherung an sein Werk
Buchinformation

Gleich vorneweg: Ja, es gibt noch sehr viel zu Kafka zu sagen. Der am 3. Juni 1924 in Kierling gestorbene Schriftsteller ist zwar seit bald 100 Jahren tot, aber immer noch sehr lebendig. Nicht zuletzt durch das an ihn angelehnte Adjektiv "kafkaesk" feiert das österreichische Ausnahmetalent täglich seine Auferstehung.

Allegorie eines transzendenten Nichts

Der Soziologe und Philosoph Michael Löwy spricht sogar schon von einer "Tertiärliteratur" zu Kafka, die sich der Erforschung unterschiedlicher Interpretationen widmet. Für Kafka sei die Literatur die letzte Planke gewesen, an der er sich festhielt, um in einer dem Verfall preisgegebenen Welt nicht zu ertrinken, so Löwy. Seine Auffassung hatte er in einem Brief vom 27.1.1904 an seinen Freund Oskar Pollak programmatisch mit den Worten festgelegt, dass sie eine Axt sein müsse, für das gefrorene Meer in uns. Die Aktualität Kafkas sei heute größer denn je, meint Löwy in seinem Wort, denn die Fähigkeit zum Dialog und zum gegenseitigen Zuhören, die Krise der menschlichen Kommunikation, der Verfall des direkten Austauschs zwischen Personen zugunsten unpersönlicher Apparate beunruhigt heute mehr denn ja. Kafka hatte schon sehr früh "die Fesseln der gequälten Menschheit aus Kanzleipapier" erkannt und beschrieben. Aber nicht nur das zeugt von seiner ungebrochenen Aktualität. "Die Überzeugung der Verdammnis ist alles, was vom Glauben übriggebliebene ist.", hatte Max Brod, der Herausgeber Kafkas resümiert.

Kafka, ein Anarchist?

Im Laufe der Jahre 1910 bis 1912 soll Kafka an anarchistischen Konferenzen über freie Liebe, die Pariser Commune, den Frieden teilgenommen haben. In seiner Schwester Ottla hatte er stets den Widerstand gegen die Autorität des Vaters bewundert und hatte so auch Sympathien für den anarchistischen "Klub der Jungen" entwickelt, die sich im Gasthaus zum Kanonenkreuz in Prag trafen. Er habe "ihren mit ganz ungenügenden Mitteln geführten Kampf um eine Sinngebung des Lebens" bewundert, so eine andere Quelle. Aber niemals hätte er sich wirklich beteiligt oder wäre gar Teil einer Bewegung geworden, wie er es in einem Brief an Felice Bauer formulierte: "Alle Verbindung, die ich mir selbst schaffe, sei es selbst gegen Teile meines Ichs, ist wertlos, hindert mich am Gehn, ich hasse sie oder bin nahe daran sie zu hassen." Viel lieber bediente er sich des schwarzen Humors, der Ironie, von der André Breton sagte, sie sei "eine höhere Revolte des Geistes".

Realismus als Vorwegnahme des Realen

In seinem 5. Kapitel beschäftigt sich Löwy auch mit dem "Schloss", das als einer der klarsten Angriffe gegen die Unterwerfung unter das Geschriebene bezeichnet werden kann (so Canetti). Religion, Freiheit, Tyrannei und dem "Prozeß" sind weitere Kapitel gewidmet. Besonders interessant sind auch die letzten beiden Kapitel, in denen Löwy George Lukacs (stalinistische) Kritik an Kafka auf den Kopf stellt und konstatiert, dass gerade das literarische Werk Kafkas, das Lukacs als "antirealistisch" bezeichnet hat, möglicherweise mehr als jedes andere Werk des 20.Jahrhunderts zu einer kritischen Erkenntnis der politischen Realität der modernen Welt beigetragen hat. Das Adjektiv "kafkaesk" tauchte übrigens laut Löwy erstmals im Jahr 1947 in einem Artikel der Zeitschrift New Yorker auf, wo die Rede von einem "kafkaesque nightmare of blind alleys" die Rede war.

Michael Löwy
Franz Kafka - Träumer und Rebell
Eine Annäherung an sein Werk
Aus dem Französischen von Bruno Kern
2023, 192 S., Hardcover mit Schutzumschlag, 12,5 x 20,0 cm
ISBN: 978-3-7374-1222-3
Marix Verlag

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2023-12-15)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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