Am 12. September 2013 ist Erich Loest im Alter von 87 Jahren gestorben. Die Reaktionen viele seiner Kollegen und Literaturkritiker zeigen, mit welchem Verlust sie fortan leben müssen.
Seine letzte, kurz vor seinem Tod erschienene Erzählung bestätigt noch einmal Erich Loests Schreibkunst. In „Lieber hundertmal irren“ geht er weit zurück in die ersten Tage der späteren DDR und erzählt von einem Mann namens Vogelsberg, der in den Tagen um das Ende des Zweiten Weltkriegs herum an der Treue zur Kommunistischen Partei festhält: : „Lieber hundertmal mit der Partei irren, als sich einmal gegen sie zu stellen.“
Die Erzählung von der Familie Vogelsberg in Mittweidorf umfasst die Zeit zwischen September 1944 und April 1946. Der Vater Hermann ist gerade aus dem KZ entlassen worden durch den Einfluss des Fabrikbesitzers, bei dem er Vorarbeiter ist. Seine Frau arbeitet bei der Post und sicht eine Familie zu stützen, deren Sohn Joachim begeisterter Hitlerjunge ist.
In diesem Jungen begegnet sich Erich Loest noch einmal selbst. Erich Loest hatte sich selbst freiwillig ins letzte Aufgebot der Wehrmacht gemeldet. Auch die Ähnlichkeiten in der Namensgebung sind beabsichtigt. In seiner Autobiografie „Durch die Erde ein Riss“ erwähnt Loest den Mittweidaer Nachbarn Vogelsang, einen Kommunisten.
In dieser Erzählung aber geht es ihm hauptsächlich um den Vater Hermann, an dessen Person er die Zwänge darstellt, in denen ein Kommunist damals steckte. Loest hat in seinem Leben zweimal die große Verführung der Ideologien gespürt und sich zweimal davon befreit.
In seiner Erzählung wird immer wieder deutlich, wie scharf die Parteilinie als Grenze vor der Eigeninitiative steht. Vogelsberg steht hier für unzählige Frauen und Männer, die in diesen Jahren mit ihrer politischen Einstellung kämpften.
Man versteht am Ende, warum Erich Loest entgegen seinen Plänen noch ein letztes Mal eine Geschichte erzählen musste und dieses Buch schrieb.
Erich Loest, Lieber hundertmal irren, Steidl 2013, ISBN 978-3-86930-665-0
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-09-18)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.